Es schlängelt sich wie ein roter Faden quer über den Friedhof: das Stromkabel, das die Kaffeemaschine der Buvette zum Surren bringt. Gerade so, als müsste es Besucherinnen und Besucher zum neuen «Café unter der Linde» lotsen.
Dabei ist sie kaum zu verfehlen, die kleine Gastroinsel inmitten von Gräbern. Drei Tische, zehn Stühle und eben diese mobile Kaffeebar: Sie laden seit Donnerstag auf dem Stadtluzerner Friedhof Friedental zum Einkehren ein. Eine schweizweite Premiere.
Gespräch über den Tod ist kein Muss
Hinter dem Pionierprojekt steht der Arbeitskreis feministische Theologie Luzern. Religionspädagogin Beata Pedrazzini hat das Café mitlanciert. «Ich habe viele Trauernde begleitet und immer wieder das gleiche Bedürfnis gehört: ein Ort zum Sitzen, Ausruhen und Austauschen.» Niederschwellig, ohne viel Krimskrams. «Wer mit uns Theologinnen über das Sterben reden will, kann das tun, muss aber nicht.»
Mitinitiantin Silvia Strahm hatte seinerzeit ein Friedhofscafé in Berlin besucht. «Ein Restaurant in einer Abdankungshalle, das gefiel mir.» Im Friedental fahre man eine Nummer kleiner. Ganz bewusst. Die Buvette sei für Leute gedacht, die ohnehin vorbeispazieren. «Unser Ziel ist kein Café, das möglichst viele Leute besuchen.»
Stadt Luzern will Friedhöfe öffnen
Gespräche über Gott und die Welt bei Kaffee und Kuchen: Zu diesem Vorhaben mussten auch die Behörden ihren Segen geben. Der Plan der Theologinnen habe sie schnell überzeugt, sagt Pascal Vincent, der bei der Stadt Luzern für die Friedhöfe zuständig ist. «Unsere Friedhöfe sollen zu einem Ort der Begegnung werden.» Daher seien in Zukunft auch «ruhige Nutzungen» wie etwa eine Lesung oder eine Kunstausstellung denkbar. «Solange ein Bezug zum Friedhof besteht.»
Unsere Friedhöfe sollen zu einem Ort der Begegnung werden.
Ein Café passe gut zur Strategie der Stadt. Insbesondere, weil mit diesen Frauen die richtigen am Ruder seien. Die Theologinnen hätten schon Beisetzungen und Trauerfeiern durchgeführt. «Sie wissen, wie man sich auf dem Friedhof bewegt, was geht und was nicht geht.»
Café sorgte für kritische Stimmen
Denn: Café trinken und trauern, diese Idee sorgte auch für kritische Stimmen. Bei den Initiantinnen, aber auch in Kommentarspalten von Online-Medien. «Der Friedhof ist nicht der richtige Platz zum Käfele», hiess es dort etwa. Oder: «Die letzte Ruhe der Toten wird hier missachtet.»
Von solchen Bedenken ist im Friedental nichts zu spüren. Platz genommen hat Erwin Franclick, weisses Halstuch, Sonnenbrille. Vor ihm ein Espresso und Apfelkuchen. Seit anderthalb Jahren besucht der Senior täglich das Grab seiner Gattin. Wie er das Café finde? «Sehr positiv.»
Rolf Brunner, ein Mann mit schlohweissem Haar und Karohemd, pflichtet bei. «Die Buvette ist nicht fehl am Platz. Im Gegenteil. Man sollte hier gleich ein Hüttchen bauen, das immer offen ist.» Ein Café mit festem Unterstand würde sich auch jene Frau wünschen, deren verstorbener Mann morgen Geburtstag feiern würde. «Sensationell» sei das Café, ganz und gar nicht pietätlos. «Wenn ich die Stille suche, setze ich mich auf eines der vielen Bänkli.»
Trubel am Trauerort: Solche Sorgen wurden auch bei der Stadt deponiert. «Einige befürchten, dass die Menschen nun von der Stadt hier hochpilgern», sagt Pascal Vincent. Er glaube nicht, dass es so weit komme. «Ansonsten sind wir genug sensibel, um dem Projekt den Stecker zu ziehen.» Wortwörtlich, wenn man an das rote Stromkabel inmitten der Gräberlandschaft denkt.