Die Bereitschaft ist gross, die Massnahmen tönen griffig: Sportverbände und Politik wollen sich gemeinsam dafür einsetzen, dass Jugendliche im Leistungssport keine psychischen und körperlichen Misshandlungen erfahren müssen. Das Massnahmenpaket ist umfassend: Es beinhaltet Sanktionen fehlbarer Verbände, anonyme Befragungen von TrainerInnen, AthletInnen und Eltern sowie eine unabhängige Meldestelle.
Angst vor Strafe könnte überwiegen
Es sind gute Vorschläge. Aber erst die Umsetzung wird zeigen, ob sie auch etwas taugen. Ein Beispiel: die unabhängige Meldestelle. Es ist entscheidend, dass sich junge Athletinnen und Athleten überhaupt trauen zu reden. Auch wenn die Anonymität gewahrt ist, könnte die Angst vor möglichen Strafen grösser sein. Da muss zuerst das Selbstvertrauen der Jugendlichen dahingehend gestärkt werden, damit sie wissen, welche Rechte sie haben.
Oder die Sanktionen für fehlbare Sportverbände: Dafür müssen Missstände zuerst aufgedeckt werden. Wie die Kontrollen durch das Bundesamt für Sport und Swiss Olympic dann tatsächlich durchgeführt werden und wie griffig diese Kontrollen sind, muss sich erst zeigen.
Kinder und Jugendliche sind im Sport besonders verletzlich
Wichtig aber ist, dass eine Diskussion stattfindet und dass Sportverbände sich bewusst werden, dass es mit einer Trainerentlassung nicht getan ist. Es ist nicht nur ein rein sportliches, sondern ein gesellschaftliches Phänomen, dass Kinder und Jugendliche regelmässig überfordert werden in verschiedenen Bereichen des Lebens, in denen die Leistung eine Rolle spielt.
Im Sport sind sie aber besonders verletzlich – der Traum von der grossen Sportkarriere ist auch mit Leiden, also mit harter Arbeit und Verzicht, verbunden. Nur: Bis zu welchem Punkt ist dieses Leiden selbstbestimmt und wo beginnt das missbräuchliche Leiden? Diese Grenzen zu setzen, benötigt viel Sensibilität und ein generelles Umdenken im Sport. Das Problem wird mit den vorgestellten Massnahmen nicht sofort gelöst sein.