- Die im Herbst abtretende Staatssekretärin und EU-Chefunterhändlerin Livia Leu zieht eine positive Bilanz ihrer Amtszeit in Bezug auf die EU.
- «Wir stehen heute an einem anderen, besseren Punkt als vor drei Jahren», sagt sie in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen.
Nach dem Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU im Mai 2021 sei damals nach nur zehn Monaten ein Paketansatz vorgelegen. Nach seither zehn Sondierungsrunden und 30 technischen Gesprächen verabschiedete der Bundesrat vor der Sommerpause die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat. «Das ist ein sehr wichtiger Schritt in Richtung Verhandlungen», so Leu.
Der Pass ist gespielt, aber der Ball muss noch ins Tor.
Auch seien die Kantone nicht mehr so zurückhaltend wie früher und der Wirtschaftsverband Economiesuisse sei mit an Bord. «Die Gewerkschaften sind vielleicht mit ihren Forderungen etwas lauter, das ist ihr Job. Aber es hat sich etwas bewegt», so Leu. «Der Pass ist gespielt, aber der Ball muss noch ins Tor.»
«Bundesrat Cassis und ich haben viel diskutiert»
Dass der Bundesrat die Eckwerte des Verhandlungsmandats nicht öffentlich mache, sei Verhandlungstaktik: «Die EU veröffentlicht ihre Verhandlungsmandate jeweils. Wir als der kleinere Verhandlungspartner tun das nicht. Wir würden unsere eigene Position untergraben, wenn wir von Anfang an zeigten, wo wir vielleicht flexibel sein könnten», sagte Leu.
Leu bestritt im Interview, ihren Posten wegen Unstimmigkeiten mit Aussenminister Ignazio Cassis zu räumen. «Bundesrat Cassis und ich haben viel diskutiert, das stimmt, aber stets mit gegenseitigem Verständnis und Respekt.» Sie habe die Wahl gehabt, entweder zu wechseln, oder weitere drei bis vier Jahre im EU-Dossier weiterzuarbeiten. «Ich fand den Zeitpunkt für einen Wechsel günstig, auch im EU-Dossier.»
Leu über Niger und die Ukraine
Als Staatssekretärin beschäftigte sich Leu auch mit den Beziehungen der Schweiz zum Rest der Welt. Das sei viel Arbeit, die in den letzten Jahren zugenommen habe.
Zuletzt hätten die Schweizer Mitarbeitenden des Kooperationsbüros im Niger das Land nach dem Putsch Ende Juli verlassen müssen. «Sobald es die Lage erlaubt, kehren sie nach Niger zurück», sagte Leu. «Die Schweiz unterstützt die nigrische Bevölkerung weiterhin, etwa mit humanitärer Hilfe. Und sie passt ihre Aktivitäten in der Entwicklungszusammenarbeit der aktuellen Situation an.»
Wir haben Russlands Angriff gegen die Ukraine von Anfang an in klaren Worten verurteilt.
In Bezug auf die Ukraine müsse sich die Schweiz ausserdem nicht verstecken: «Wir haben Russlands Angriff gegen die Ukraine von Anfang an in klaren Worten verurteilt» so Leu. «Der Bundesrat hat die EU-Sanktionen gegen Russland nach wenigen Tagen übernommen; normalerweise zieht sich ein solcher Prozess über Monate hin.»
Dazu kämen 420 Millionen Franken humanitäre Hilfe im letzten Jahr und die Anwesenheit vor Ort, wie etwa beim Staudammbruch vor zwei Monaten. «Nicht zu vergessen, dass fast 80'000 Flüchtlinge bei uns Aufnahme gefunden haben.»