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Weshalb die Angst vor der EU, Herr Wietlisbach?
Aus Samstagsrundschau vom 05.10.2024. Bild: Keystone
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EU-Verträge sollen vors Volk «Alle sprechen von Bilateralen, aber es ist ein Rahmenabkommen»

Die Kompass-Initiative aus Wirtschaftskreisen will, dass Verträge, wie die neuen Bilateralen, über die die Schweiz derzeit mit der EU verhandelt, zwingend von Volk und Ständen angenommen werden müssten. Die Wirtschaftsverbände lehnen das Ansinnen ab. Mitinitiant Urs Wietlisbach nimmt Stellung.

Urs Wietlisbach

Unternehmer und Investor

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Urs Wietlisbach ist Investor, Unternehmer und einer der drei Mitbegründer der Partners Group Holding AG, einem Fonds für privates Beteiligungskapital. Er ist Mitinitiant der Kompass-Initiative.

SRF News: Die grossen Wirtschaftsverbände setzen sich ein für neue bilaterale Verträge mit der EU. Viele Kollegen und Kolleginnen aus der Wirtschaft verstehen nicht, dass Sie diesen Weg mit der Kompass-Initiative torpedieren.

Urs Wietlisbach: Wir sind nicht gegen den bilateralen Weg, wir sind dafür. Wir sind für die Bilateralen I und II. Sie sprechen jetzt von Bilateralen III. Das sind sie aber nicht, denn es ist ein Rahmenabkommen 2.0 und dagegen stemmen wir uns. Und wir haben zu dritt angefangen – jetzt sind über 2500 Unternehmer bei Kompass Europa dabei. Das ist ein sehr grosser Teil der Schweizer Wirtschaft.

Kompass-Initiative

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Die Kompass-Initiative «Für eine direktdemokratische und wettbewerbsfähige Schweiz – keine EU-Passivmitgliedschaft» will in der Bundesverfassung festschreiben, dass völkerrechtliche Verträge zwingend dem Volk und den Ständen vorgelegt werden müssen (obligatorisches Referendum). Damit soll über das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU (Bilaterale III), die die Schweiz mit der EU verhandelt, abgestimmt werden.

Hinter der Volksinitiative stehen Unternehmer und Parlamentsmitglieder aus FDP und SVP, aber auch Prominente wie Bernhard Russi, Kurt Aeschbacher und Verleger Markus Somm.

Trotzdem: Die grossen Wirtschaftsverbände sehen es alle anders.

Schauen Sie Economiesuisse an: das ist ein Verband von Grosskonzernen. Jetzt frage ich Sie, wie viele Schweizer sitzen noch in diesen Grosskonzernen? Und die Branchenverbände, zum Beispiel Swissmem, die verstehe ich nicht. Die Pharmaindustrie verstehe ich ja noch viel weniger.

Sie sind also überzeugt, man könne den Status quo der Beziehungen mit der EU so bewahren. Die Befürworter der Bilateralen III betonen, das gehe nicht: Entweder erodieren die jetzigen Beziehungen oder man entwickelt sie weiter, eben mit einem neuen Paket.

Die USA exportieren substanziell mehr als wir in die EU, übrigens ist dieser Anteil auch stärker gestiegen in den letzten Jahren. China auch. Haben diese Staaten irgendwelche bilateralen Verträge mit der EU?

Diese Länder haben aber eine ganz andere Beziehung zur EU als die Schweiz. Wir sind geografisch mitten in Europa. Unsere KMU-Industrie bildet einen einzigen Industrie-Cluster mit den Nachbarstaaten. Das ist doch nicht vergleichbar mit den USA.

Es gibt auch in Amerika KMU, die nach Europa exportieren. Wir haben Freihandelsabkommen, wir haben WTO-Regeln, wir können ganz normal exportieren. Vielleicht müssten Sie künftig ein Formular mehr ausfüllen.

Drei Männer sprechen miteinander im Medienzentrum des Bundes in Bern.
Legende: Urs Wietlisbach (R) im Gespräch mit Kurt Aeschbacher (M) und Marco Sieber, Industrieller (L) anlässlich der Medienkonferenz zur Lancierung der Kompass-Initiative am 30. September. KEYSTONE / Peter Klaunzer

Machen Sie sich da nicht etwas vor in Sachen Souveränität? Wir haben ja heute schon viele Bestimmungen, die wir automatisch von uns aus übernehmen, ohne dass wir mitreden können. Mit neuen Bilateralen würden wir wieder mitwirken.

Wir können eben nicht mitreden. Das sind keine «bilateralen Verträge», das müssen wir einmal verstehen. Es ist eine totale Kehrtwende. Wir würden EU-Gesetze automatisch übernehmen.

Haben die USA und China irgendwelche bilateralen Verträge mit der EU?

Automatisch stimmt so nicht. Die Rechtsübernahme wäre «dynamisch», die Schweiz könnte sich weigern, gewisse Gesetze zu übernehmen. Die EU würde dann mit einer Strafmassnahme reagieren können.

Stellen Sie sich vor, dass wir in unserem direktdemokratischen System, auf das wir stolz sind, bei einem ersten Gesetz Nein sagen würden, weil wir das nicht wollen. Bei einem zweiten auch. Beim dritten käme dann der Bundesrat und würde sagen: wenn wir das dritte auch ablehnen, dann kostet das Milliarden. Und über die Strafe bestimmten nicht wir, sondern das Schiedsgericht, der Europäische Gerichtshof. Wie kann ich da als freier Schweizer Stimmbürger noch frei abstimmen?

Das Gespräch führte Klaus Ammann.

Samstagsrundschau, 5.10.2024, 11:30 Uhr ; 

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