Die rund hundert Besucherinnen und Besucher am Infoanlass in Brienz/GR sind ganz Ohr, als ihnen der Chefgeologe die Rutschung am Berg erklärt.
Am Dienstagabend informierten die Behörden die Bevölkerung über das weitere Vorgehen und machen die Dringlichkeit klar: Fast zwei Millionen Kubikmeter Gestein und Geröll bewegen sich in Richtung Brienz, die letzten Tage immer schneller. Darum muss das Dorf bis Freitagabend verlassen werden.
Die für das vom Felssturz bedrohte Dorf zuständige Gemeinde Albula/Alvra hatte am Dienstag die Alarmstufe erhöht. Ausserdem wurde bekannt, dass die Einwohnerinnen und Einwohner von Brienz bis spätestens am Freitag ihre Häuser verlassen haben müssen.
Neue Erkenntnisse machen Angst
Für viele von ihnen ist die Bedrohung jetzt extrem spürbar, wie eine Brienzerin am Rande des Infoanlasses sagt: «Wir wohnen gerade unterhalb des Rutschgebiets. Ich bin dort geboren und aufgewachsen. Im Grunde sind wir uns den Rutsch gewöhnt. Jetzt, wo man die Bilder sieht und die Geologen hört, kriegen wir schon wieder Angst.»
Im Grunde sind wir uns den Rutsch gewöhnt. Jetzt, wo man die Bilder sieht und die Geologen hört, kriegen wir schon wieder Angst.
Nur wenige Tage liegt es zurück, als Fachleute noch von einem längeren Zeitrahmen bis zu einem möglichen Felssturz ausgegangen waren. Die Rede war von zwei bis sechs Wochen. Nun müssen jedoch alle weg aus Brienz. Ihnen bleiben nur wenige Tage, um das Nötigste einzupacken.
Checkpoints und Videoüberwachung gegen Plünderungen
Dokumente, ID und auch Kleider will eine andere Bewohnerin des Bergdorfs einpacken, aber nicht nur: «Meine Katze muss ich natürlich mitnehmen und für sie alles packen.» Nach der Evakuierung des Dorfes darf Brienz von Auswärtigen nicht mehr betreten werden. Checkpoints und Videoüberwachung sollen Plünderungen verhindern.
Morgen werfen wir nochmals einige Kleider weg und am Donnerstag gehen wir gleich ganz weg.
Das Krisenmanagement der Behörden wird am Infoanlass mehrheitlich gelobt. «Ich war sehr zufrieden mit der Information», sagt eine Frau, der im Dorf eine Zweitwohnung gehört. Obwohl die Evakuation sie somit weniger stark betreffe, habe sie «grosses Mitleid mit den Leuten, die jetzt fort müssen». Eine schwierige Situation sei es, die sehr überraschend kam, sagt eine andere Frau.
Keine genaue Felssturz-Vorhersage möglich
Wann und wie genau der Berg rutscht, kann niemand genau sagen. Diese Ungewissheit ist für viele schwer zu ertragen. In ihrem Haushalt hätten sie schon vieles entsorgt, sagt eine weitere Frau. «Morgen werfen wir nochmals einige Kleider weg und am Donnerstag gehen wir gleich ganz weg.» Es ist eine Abreise in der Hoffnung, dass der Berg ohne Schäden am Dorf vorbeirutscht.