Es kostet viel Zeit: Jeden Morgen müssen die Züge fit gemacht werden für den Tag. Nachts stehen sie in Abstellanlagen wie derjenigen der Rhätischen Bahn RhB in Landquart.
Über eine Stunde dauert es, bis Lokführer Matthias Schmid seine zwei gekoppelten Capricorn-Triebzüge zum Bahnsteig fahren kann. «Ich kontrolliere die Drehgestelle auf alle möglichen mechanischen Schäden», erklärt er. Er geht den Zug auf seiner gesamten Länge ab, öffnet alle Türen, schaut auf lose Kabel oder Flecken am Boden. Insgesamt rund 30 Checks, drinnen und draussen. Selbstverständlich gehört dazu auch die Bremsprobe, jeden Morgen.
Automatisch an die Perronkante
Das fordert viel Aufwand und Zeit von den Lokführern und Bahnunternehmen. «Das Ziel wäre eigentlich, dass man die Züge automatischer oder ganz automatisch bis an die Perronkante bringen kann, ohne dass vorher Leute die Züge aufbereiten», so Christian Florin, Leiter Infrastruktur bei der RhB. In fünf bis sechs Jahren könnte es so weit sein.
Auch der Regionalverkehr Bern-Solothurn RBS hat konkrete Pläne: Bereits wurde in Bätterkinden (SO) ein neues Wendegleis in Betrieb genommen. Es könnte ebenfalls in fünf oder sechs Jahren so weit aufgerüstet werden, dass automatische Fahrten ganz ohne Lokführer möglich wären.
«Der Vorteil der Automatisierung liegt darin, dass der Lokführer Zeit sparen kann», so André Schweizer, Leiter Planung und Projekte beim RBS. Die Lokführer könnten sich auf die produktiven Fahrten mit den Fahrgästen konzentrieren und während der Benutzung des automatischen Wendegleises in Bätterkinden Pause machen. Eine Herausforderung besteht laut André Schweizer dabei darin, die Sicherheit am Bahnübergang dann weiterhin sicherzustellen.
Aufpassen bei der Einfahrt
Die Schweizerische Südostbahn SOB hat bereits eine 80-seitige Machbarkeitsstudie verfassen lassen. Von «zwei bis fünf Prozent Effizienzsteigerung» ist darin die Rede, bei grösseren Eisenbahnunternehmen könnten sogar bis zu zehn Prozent der Lokführer-Arbeitszeit eingespart werden.
Die SOB hat in Herisau auch schon Versuche mit automatischer Hinderniserkennung durchgeführt. Der Leiter Bahnautomatisation, Ivo Abrach, weiss um die potenziellen Gefahren, wenn Züge ohne Lokführer zum Bahnsteig fahren: «Man kann davon ausgehen, dass es eventuell bereits Leute am Bahnsteig hat. Da muss man schauen, wie man damit umgeht.» Auch das Abfahren ins Abstellgleis könne ein Problem darstellen – bei der SOB werde man wohl schrittweise vorgehen.
Matthias Schmid, der Leiter Lokführer bei der RhB, sieht zwar die Vorteile einer Automatisation. Auf der anderen Seite sei das Bereitmachen des Zuges und das Rangieren für die Lokführer auch eine schöne Abwechslung: «Man kann auch ein bisschen laufen, wir hocken sonst schon den ganzen Tag. Eine dreiviertel Stunde Bewegung an der frischen Luft tut auch gut.»
Alle Ideen und Pläne für automatisierte Abstellanlagen sind noch in einer sehr frühen Phase. Offen sind auch noch zahlreiche Fragen zum Bereitmachen der Züge. Aber grundsätzlich sind automatisierte Abstellanlagen in der Schweiz keine Utopie mehr.