Plötzlich war die Limmat grün. Und ganz Zürich fragte sich vor zehn Tagen, weshalb ihr Fluss die Farbe geändert hatte. Man wusste es bald. Die internationale Bewegung Extinction Rebellion steckte hinter der Aktion.
Strukturiert, radikal, aber gewaltfrei. So rufen die Klima-Aktivisten zu zivilem Ungehorsam auf. Der Name ist Programm: Sie rebellieren gegen das angeblich drohende Aussterben der Menschheit. Extinction Rebellion will das öffentliche Leben stören und so die Bevölkerung aufrütteln.
Klare Forderungen
In Lausanne blockierten etwa 200 Aktivisten von Extinction Rebellion am Freitagmittag die Bessières-Brücke in der Nähe der Kathedrale. Es ist nicht die erste Aktion in der Stadt. Bereits vor einem halben Jahr blockierten die Aktivisten eine wichtige Verkehrsachse. Das war der Moment als Nicoco auf Extinction Rebellion aufmerksam geworden ist. Er studiert Sportwissenschaften an der Uni. «Umwelt- und Klimafragen haben mich schon lange beschäftigt», sagt er. Endlich habe er sich nicht mehr allein gefühlt.
Wir sind keine Extremisten.
Inzwischen ist er voll engagiert und hält zum Beispiel Vorträge. Zusammen mit Aymone. Die Psychomotoriktherapeutin ist schon etwas länger dabei. «Mir gefallen die klar formulierten drei Hauptforderungen von Extinction Rebellion», sagt sie.
Als erstes erkläre Extinction Rebellion den Klimanotstand, um die Politik zum Handeln aufzufordern, und zwar sofort. Denn das zweite Ziel sei bereits 2025 den CO2-Austoss auf Netto Null zu senken. Drittens forderten sie Bürgerversammlungen, die überwachten, ob die Klimaziele erreicht würden.
Aktivisten oder Extremisten?
Die Basis für ihre öffentlichen Vorträge kann Aymone via Internet von der Mutterorganisation in England beziehen und anpassen. Und die Methoden, sind ihr die nicht zu radikal? Nein, sagt Aymone, es gehe im wortwörtlichen Sinn darum, die Probleme an der Wurzel anzupacken: «Wir sind keine Extremisten.»
Die kleinen Gruppen erlauben es Wortführern, andere schneller zu beeinflussen, auch mit radikalen Gedanken.
Dennoch: Extinction Rebellion geht weiter, als die Schülerinnen und Schüler, die freitags die Schule schwänzen. Aymone betont, sie tauschten sich mit der Klimajugend Fridays for Future aus und machten punktuell auch gemeinsame Sache.
Die Ziele seien im Grundsatz dieselben. Extinction Rebellion habe einfach eine andere Taktik, indem sie mit Störaktionen darauf aufmerksam machten. Oberstes Gebot sei dabei aber, ohne Gewalt zu handeln.
Hervé Rayner ist Professor für Politikwissenschaften an der Uni Lausanne. Er befasst sich seit langem mit sozialen Bewegungen. Bei Extinction Rebellion fällt ihm besonders auf, dass viele Frauen und vielen gebildete Menschen jeglichen Alters dabei sind. Zur schnellen Verbreitung der Bewegung habe sicher das Internet beigetragen, doch ebenso wichtig sei die Struktur der Bewegung.
Kleine Gruppen, grosse Identifikation
Mit regelmässigen Treffen in den lokalen Sektionen werde das Zugehörigkeitsgefühl gefördert. Und zwar in kleinen Untergruppen. «Dies erlaubt es Wortführern andere schneller zu beeinflussen, auch mit radikalen Gedanken», erklärt Rayner.
Eine offizielle Mitgliedschaft bei Extinction Rebellion gibt es nicht. Es ist deshalb schwierig abzuschätzen, wie viele von sich sagen, dabei zu sein. In der zurzeit grössten Sektion in der Schweiz, in Lausanne, dürften es mehrere Hundert sein. Nach eigenen Angaben ist die Bewegung in fast 60 Ländern vertreten.