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Facebook stützt Trump-Sperre «Kontosperren können öffentlichen Diskurs in Schieflage bringen»

Das unabhängige Aufsichtsgremium von Facebook hat heute entschieden, dass Trump bei Facebook zwar weiterhin gesperrt bleibe, eine unbegrenzte Sperrung «bis auf Weiteres» jedoch unangemessen sei. Facebook muss den Sachverhalt in den nächsten sechs Monaten nochmals überprüfen. Die Expertin für Kommunikationsgrundrechte, Raphaela Cueni, ordnet diesen Entscheid ein, und sagt, weshalb und wie der Staat die mächtigen Anbieter von Diskussionsplattformen regulieren sollte.

Raphaela Cueni

Lehrbeauftragte für Öffentliches Recht, Universität Basel

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Raphaela Cueni ist Lehrbeauftragte im Fachbereich Öffentliches Recht an der juristischen Fakultät der Universität Basel. Sie befasst sich unter anderem mit aktuellen Fragestellungen im Bereich der Kommunikationsgrundrechte.

SRF News: Inwiefern ist dieser Entscheid des Aufsichtsgremiums von Facebook von heute wegweisend?

Raphaela Cueni: Der Entscheid von heute ist wegweisend in der Frage des Umgangs mit Löschungen von Konten. Dürfen Konten auf diesen Diskussionsplattformen zeitlich unbeschränkt gesperrt werden, dürfen sie gar gelöscht werden? Es ist auch ein Leiturteil in der Frage, unter welchen Umständen eine solche Sperrung bei politischen Persönlichkeiten möglich ist und was bei diesen besonders zu beachten ist. Facebook darf also Konten sperren, jedoch nicht für unbegrenzte Zeit, weil das so in den Nutzerbedingungen nicht vorgesehen ist. Ebenfalls wurde Facebook angewiesen, die konkreten Verfahren und die Kriterien, nach denen gesperrt wird, publik zu machen. Diese Transparenz und der Hinweis, dass eine zeitlich unbegrenzte Sperrung nicht geht, ist sehr zu begrüssen.

Kontosperren sind massive Eingriffe, nicht nur für den gesperrten Nutzer, sondern für die Debatte an sich.

Steht eine Sperrung nicht quer zum Gebot der freien Meinungsäusserung?

Facebook ist ja eine private Firma, und als solche nicht direkt an die Meinungsfreiheit gebunden. Da es sich aber um einen marktmächtigen Anbieter eines öffentlichen Diskussionsraums handelt, hat eine Sperrung natürlich durchaus Auswirkungen auf die öffentliche Meinungsbildung. Deshalb sind Kontosperren hier sehr massive Eingriffe, nicht nur für den gesperrten Nutzer, sondern für die Debatte an sich. So kann der öffentliche Diskurs auf die eine oder andere Seite in Schieflage geraten. Das versuchte man mit dem heutigen Urteil auch ein wenig zu vermeiden.

Ist es aber nicht gefährlich, wenn die privaten Firmen entscheiden können, wer am Diskurs teilnehmen darf, und wer nicht?

Die Gefahr besteht zwar, grundsätzlich haben die Plattformen ja aber kein Interesse, Nutzer auszuschliessen. Aber ja, die Plattformen löschen Inhalte und sperren Nutzer, und das oft in intransparenter Art und Weise. Für den Nutzer stehen keine Verfahren zur Verfügung, dagegen vorzugehen. Oft wissen Nutzer nicht einmal, weshalb sie gesperrt wurden. Das ist problematisch.

Reicht diese Lösung von Facebook mit einem «unabhängigen Aufsichtsgremium», oder ist hier der Staat gefordert, dieses Problem zu regulieren?

Ich denke, es wäre hier die Aufgabe des Staates, aktiv zu werden und diesen marktmächtigen Anbietern von Diskussionsräumen Vorschriften bezüglich der Verfahren für Kontosperren und Löschung von Inhalten zu machen. Die Plattformen müssten auch dazu angehalten werden, offen, inhaltlich neutral und diskriminierungsfrei zu sein.

Es handelt sich bei Facebook und Co. ja um globale Plattformen. Nationale Rechtssystem können da wenig bewirken. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen?

Das ist sicher der Grund, weshalb es bisher nur privat geregelt ist. Deshalb scheint mir auch, dass der primär zu gehende Weg nicht eine Regelung des Inhalts ist, sondern eine Garantie der Verfahren und Inhaltsneutralität.

Das Gespräch führte Luca Froelicher.

Tagesschau 05.05.2021, 19.30 Uhr ; 

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