Für 70-jährige in der Schweiz gilt: Alle zwei Jahre müssen sie sich beim Hausarzt oder der Hausärztin auf ihre Fahrtüchtigkeit hin überprüfen lassen. Das will das Parlament nun ändern: Es fordert, dass Seniorinnen und Senioren erst ab 75 regelmässig zum Test müssen.
Davon betroffen wären nicht nur die älteren Verkehrsteilnehmer, sondern auch die Hausärzte. Und der Hausarztverband der Schweiz sagt: Kein Problem. Aus Sicht der Hausärzte bestünden in dieser Hinsicht keine Bedenken. Dies bestätigt auch Philippe Luchsinger, der Präsident der Haus- und Kinderärzte Schweiz (MFE).
SRF News: Soll die Verkehrstauglichkeitsprüfung für Senioren später stattfinden?
Wir sind dazu gekommen, dass wir zwischen 70 und 75 Jahren keine gravierenden Erkrankungen feststellen können, die das Fahrvermögen beeinträchtigen. Die kritische Grenze kommt später.
Die Behauptung der Strassenämter widerspricht unseren Erfahrungen.
Jetzt heisst es aber von den Strassenverkehrsämtern im Gegenteil, dass eben in dieser Spanne es gerade sehr viele Senioren gibt, die aufgrund des Gesundheitszustands nicht mehr verkehrstauglich seien. Was sagen Sie dazu?
Das widerspricht unserer Erfahrung als Hausärzte, welche die tägliche Arbeit machen und hunderttausende von Leuten untersuchen.
Jetzt würden mit der Erhöhung der Altersgrenze viele Kontrollen entfallen. Ich könnte mir vorstellen, dass das eine willkommene Entlastung ist für manche Hausarztpraxen, die sehr ausgelastet sind.
Das ist absolut richtig. Wir haben ein Ressourcen-Problem und wir müssen schauen, dass wir die Leute sinnvoll einsetzen. Und in Tests, die nur grenzwertig einen Nutzen haben, versuchen wir möglichst wenig Ressourcen einzusetzen.
Jetzt sagen Sie, dass in dieser Altersspanne nicht viel passiere. Welche Altersgrenze wird aus Sicht der Hausärzte problematisch?
In Sachen Fahrtüchtigkeit ist es ab 75 Jahren. Es ist sicher so, dass es zwischen 75 und 80 Jahren beginnt kritisch zu werden. Wobei wir dürfen nicht vergessen: Leute, die wir untersuchen, das sind erwachsene Menschen, die selber Verantwortung tragen und gewöhnt sind, für sich selber zu schauen. Diese können sehr wohl die Verantwortung für ihre Tätigkeiten und Handlungen übernehmen.
Wie oft führen Sie im Monat Verkehrstauglichkeitsprüfungen durch?
Ich sehe im Schnitt im Monat vielleicht zehn bis fünfzehn Patienten, bei denen ich diese Untersuchung mache.
Und wie oft müssen Sie dann sagen, dass sie bei dem Attest jemanden nicht mehr für tauglich empfinden?
Etwa ein bis zweimal im Jahr. Wenn Sie die Zahlen ansehen: Wir haben etwa 300‘000 Leute, die in diesem Segment zwischen 70 und 75 Jahren drin sind. Wir untersuchen alle zwei Jahre. Das heisst etwa 150‘000 Leute werden angeschaut und 800 Personen dürfen nach der Untersuchung nicht mehr Autofahren.
Wir dürfen nicht vergessen: Leute, die wir untersuchen, das sind erwachsene Menschen, die selber Verantwortung tragen und gewöhnt sind, für sich selber zu schauen.
Wieviele von diesen betroffenen Personen waren zwischen 70 und 75 Jahren?
Da war niemand dabei.
Sie sagen also: ab 75 wird es kritisch. Mit welchen Einbussen muss man rechnen?
Es sind meist nicht die körperlichen Voraussetzungen. Es ist vor allem die Adaption auf die Umwelt, die Reaktionsfähigkeit, welche sich verlangsamt. Die Personen können sich nicht rasch genug auf neue Situation einstellen.
Wo liegen die Herausforderungen, ob jemand auf die Strasse darf oder nicht?
Selbstfahrende Autos werden eine Hilfe sein, weil es dann keine Fahrer sondern nur Insassen braucht.
Es gibt zwei Ebenen: Die eine ist die Beurteilung, ob jemand Autofahren kann oder nicht und das ist etwas ganz anderes, als die medizinische Voraussetzung dazu. Ich prüfe nur die medizinische Voraussetzung ob jemand die Anforderungen, welche in einem Katalog festgehalten sind, erfüllt. Dann darf er aus meiner Sicht Autofahren. Aber ich kann nicht beurteilen, ob jemand noch wirklich Autofahren kann. Dies sage ich immer meinen Patienten: Ich kann nicht sicher sein, dass sie noch Autofahren können. Ich kann nur die Grundlagen dazu beurteilen.
Jetzt können Autos je länger je mehr und helfen beim Autofahren. Gehen Sie davon aus, dass Personen so länger Autofahren können, als früher?
Nein, das glaube ich nicht, ausser wenn es selbstfahrende Autos geben wird. Das wird eine Hilfe sein, weil diese Autos nicht selbst gefahren werden müssen. Da braucht es ja auch keinen Fahrer mehr und es braucht nur noch Insassen.
Das Gespräch führte Hanna Jordi.