- Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) in der Schweiz haben im vergangenen Jahr leicht mehr Massnahmen angeordnet als im Vorjahr.
- Von den Massnahmen betroffen waren rund 43'000 Kinder und rund 90'000 Erwachsene.
- In rund zehn Prozent der Fälle wurden Kinder in Heimen oder Pflegefamilien untergebracht, wie die Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (Kokes) mitteilt.
Fast 43'000 Kinder und ihre Eltern hatten letztes Jahr Kontakt mit einer Kindesschutzbehörde. Das sind 4,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Diesen Anstieg erklären sich die Verantwortlichen mit der gesellschaftlichen Entwicklung.
So gebe es zum Beispiel Sonderfaktoren wie die Situation der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden, sagt Guido Marbet, Präsident der Kokes, an der Jahresmedienkonferenz des Dachverbandes. Und: «Es gibt vermehrt hoch strittige Elternbeziehungen, die zu zusätzlichen Massnahmen führen.»
Allerdings dürfe man die Fallzahlen nicht mit der Anzahl Massnahmen gleichsetzen, betont er. In der Hälfte der Fälle genügten einfache Hilfen in der Schule oder zuhause. Fast immer behielten die Eltern oder nahe Verwandte die Erziehungsverantwortung. Sogar wenn Kinder in Heime oder in Pflegefamilien kämen, seien die Eltern meist mit dieser Massnahme einverstanden.
Streitpunkt Fremdplatzierung
Von den schweizweit rund 18'000 Kindern in Heimen und Pflegefamilien machten die angeordneten – also nicht einvernehmlichen – Fremdplatzierungen nur einen Drittel aus. Genau diese Fälle führen aber immer wieder zu Diskussionen.
Im Moment wird eine Volksinitiative vorbereitet, die den Einfluss der Kernfamilie stärken und die Macht der Behörden einschränken will. Das sei keine gute Idee, findet der Berner SVP-Regierungsrat und Kokes-Vizepräsident Christoph Neuhaus. «Kinder lieben ihre Eltern.» Doch die Familie sei längst nicht immer ein heiler Ort: «Wie ich aus Kinderspitälern weiss, gibt es Hunderte von Gefährdungsmeldungen pro Jahr. Es gibt Eltern, die ihren Kindern die Arme brechen, sie mit heissem Wasser verbrennen. Kleinkinder werden missbraucht.»
Wie ich aber aus Kinderspitälern weiss, gibt es hunderte von Gefährdungsmeldungen pro Jahr. (...) Auch die Schweiz ist kein Heidiland.
Auch die Schweiz sei kein «Heidiland». Wenn der Kesb vorgeworfen werde, ein modernes Verdingkinderwesen zu sein, so sei das reine Stimmungsmache, sagt Neuhaus. Denn jede Verfügung der Kesb könne gerichtlich angefochten werden.
Beistand für ältere Menschen
Der Kindesschutz ist im Übrigen der kleinere Teil der Arbeit der Kesb. In zwei von drei Fällen geht es um Erwachsene, meist ältere Leute, die nicht mehr selber Entscheide fällen können. Im Kanton Waadt hat man guter Erfahrungen gemacht mit einer Mischung von privater und professioneller Unterstützung. Leichtere Fälle könnten Freiwillige übernehmen, die komplizierteren die Profis. Diese Mischung habe sich bewährt und könnte laut Kokes ein Vorbild für andere Kantone sein.