58 Prozent der Neugewählten im Neuenburger Kantonsparlament sind nun Frauen: Manch eine und manch einer rieb sich gestern Abend kurz nach zehn Uhr verwundert die Augen und staunte ob dieser klaren Frauenmehrheit.
Zuvor betrug der Frauenanteil im Neuenburger Kantonsparlament lediglich rund ein Drittel. Bemerkenswert ist das Resultat vor allem auch deshalb, weil die Neuenburgerinnen und Neuenburger nicht ein etwa linkes, sondern ein bürgerliches Parlament gewählt haben.
Erfahrungsgemäss setzen sich die Linken und Grünen stärker für eine Geschlechterparität ein. Doch in Neuenburg nahmen sich eben auch die bürgerlichen Parteien dem Thema an. Allen voran die FDP, die nach wie vor klar stärkste Partei im Kantonsparlament ist. Eine Strategie, die aufging und die eine wesentliche Rolle gespielt haben dürfte beim Erfolg der Frauen und der FDP.
Strategische Listenplätze
Die FDP ging zwar nicht mit gleich vielen Frauen wie Männern in die Wahlen, wie dies die SP oder die Grünen machten. Doch die FDP Neuenburg führte auf ihrer Liste zuerst die 29 Frauen auf und dann die 71 Männer. Sie setzte damit um, was Frauenbewegungen schon länger monieren: Es reiche nicht, wenn sich die Parteien bemühten, Frauen auf die Liste zu nehmen, sondern sie müssen ihnen auch gute Listenplätze geben, um den Frauenanteil zu erhöhen. Denn: Ein guter Listenplatz kann wahlentscheidend sein.
In Neuenburg hat der Erfolg der Frauen zudem wohl auch damit zu tun, dass der Frauenanteil im Parlament ein sehr grosses und viel diskutiertes Thema war in den letzten Jahren. Ein Vorstoss im Parlament forderte gar per Gesetz eine 50 zu 50 Geschlechterausgeglichenheit einzuführen. Dieser Vorstoss wurde zwar abgelehnt, doch blieb das Thema in vieler Munde.
Historische Gründe
Und: Frauen zu wählen hat in Neuenburg eine längere Tradition als anderswo. Neuenburg gehörte mit der Waadt zu den ersten beiden Kantonen in der Schweiz, die 1959 das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene eingeführt hatten.
Dass der Frauenanteil im Parlament nun von 34 Prozent gleich auf 58 Prozent anstieg, war dennoch nicht zu erwarten. Nicht nur die Frauenmehrheit in einem Kantonsparlament ist ein Novum in der Schweizer Demokratie, auch ein solcher Zuwachs auf einen Schlag bei kantonalen Wahlen dürfte einmalig sein bisher.