Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein einfaches Zimmer: Eine Spieldecke liegt auf dem Boden, daneben Spielzeug. An der Wand ein Kinderbettchen und gegenüber ein Bett für die Mutter. So waren Familienzellen im Regionalgefängnis Thun eingerichtet. Hier wurden Mütter mit ihren Kindern für die Nacht vor ihrer Ausschaffung untergebracht.
Im Sommer hatte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) diese Praxis scharf kritisiert. Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren gehörten nicht in Administrativhaft.
Gesetzeslage geklärt
Als Ulrich Kräuchi, Direktor des Regionalgefängnisses Thun, im Sommer vom Bericht der GPK hörte, war ihm klar, dass er die Familienzelle nicht mehr anbieten würde. Zumindest solange nicht geklärt ist, ob diese Art der Unterbringung illegal ist.
Kinderbettchen und Spielteppich hat Kräuchi in der Einstellhalle des Gefängnisses eingelagert. Sie werden nicht mehr eingesetzt, denn der Bundesrat hält in seiner Antwort auf den Bericht der GPK-N fest, dass keine genügende gesetzliche Grundlage für die Inhaftierung von Kindern unter 15 Jahren zusammen mit ihren Eltern besteht.
Kindswohl als Argument
Der Kanton Bern muss nun Alternativen suchen, wie Regierungsrat Philippe Müller (FDP) bestätigt: «Nach dieser Klärung der gesetzlichen Grundlagen wird der Kanton Bern nicht mehr Kinder, die jünger sind als 15 Jahre, zusammen mit ihren Eltern in Administrativhaft unterbringen». Möglich sei aber die Unterbringung der Familien in Heimen.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat eine Umfrage bei den Kantonen zum Thema durchgeführt. Zwei Kantone haben angegeben, Kinder unter 15 Jahren für kurze Zeit zusammen mit ihren Eltern in Administrativhaft untergebracht zu haben. Auf Anfrage der «Tagesschau» bestätigen die Kantone Bern und Zürich, solche Fälle gehabt zu haben.
Beide Kantone haben ihre Praxis bereits geändert. Lukas Rieder, Mediensprecher des SEM, erklärt, dass man die Kinder mit ihren Eltern zusammen untergebracht habe, um das Kindswohl zu wahren: «Man wollte die Eltern und Kinder nicht voneinander trennen.»
Es geht auch (fast) ohne Haft
Keine Kinder in Administrativhaft untergebracht hat beispielsweise der Kanton Basel-Landschaft. Aufgrund seines moderaten Vorgehens in heiklen Fällen gilt das Baselbiet als vorbildlich: Bei Familien wird lediglich der Vater in Administrativhaft untergebracht. Mutter und Kinder verbleiben am Wohnort und werden ausführlich über das weitere Vorgehen informiert. Am Tag der Ausschaffung werden sie von nicht uniformierten Beamten abgeholt. Im Team sind immer auch Frauen dabei.
Am Flughafen treffen Mütter und Kinder schliesslich wieder auf den Vater. Man habe mit dem zurückhaltenden Vorgehen sehr gute Erfahrungen gemacht, bestätigt Adrian Baumgartner, Mediensprecher der Sicherheitsdirektion Basel-Landschaft. Es sei für alle Beteiligten deutlich stressfreier. Zudem habe man seit der Einführung des neuen Vorgehens keine Veränderung bei der Zahl der Untergetauchten vor Ausschaffungen festgestellt.