Zwischen 2011 und 2014 sind insgesamt 200 minderjährige Asylbewerber in Schweizer Gefängnissen gesessen – weil ihre Ausschaffung kurz bevorstehen sollte. Das steht im Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats (GPK).
Es könnten aber auch viel weniger oder viel mehr gewesen sein – denn die Kantone nehmen es laut dem Report mit der Registrierung der Inhaftierten nicht so genau.
Von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich
Tatsache ist aber, dass manche Kantone ausdrücklich darauf verzichten, Minderjährige in Haft zu nehmen. Dazu gehören Neuenburg, Waadt oder Genf. In anderen Kantonen – wie etwa Bern – kommt es immer wieder vor, dass Kinder unter 15 Jahren zusammen mit ihren Angehörigen hinter Gittern sitzen; wenn auch nur für einige Tage.
Diese Praxis wird damit begründet, dass man die Kinder nicht von ihren Angehörigen trennen will, so sei es für das Kind das Beste. «Inhaftierung zum Kindswohl», heisst das im Amtsdeutsch.
Unnötige Härten gegenüber Familien mit kleinen Kindern oder gegenüber Minderjährigen sollten vermieden werden
SVP-Nationalrat Alfred Heer geht das zu weit. Er ist Präsident der Parlamentariergruppe, die den Bericht verantwortet. «Unnötige Härten gegenüber Familien mit kleinen Kindern oder gegenüber Minderjährigen sollten vermieden werden», sagt Heer, der sonst für eine strenge Praxis im Asylwesen eintritt. Kinder ins Gefängnis stecken – «Das will niemand in der Schweiz». Schliesslich gehe es nicht um Kriminelle.
Bundesrat soll Kantone zur Räson bringen
Hinzu kommt: Diese Praxis ist illegal, sie verstösst gegen die Kinderrechtskonvention der UNO. Zudem dürften unter-15jährige auch nach Schweizer Recht nicht in Ausschaffungshaft genommen werden. Der Bundesrat solle jetzt deshalb dafür sorgen, dass zumindest diese nicht mehr ins Gefängnis kommen, fordert die GPK.
Auch solle der Bund dafür sorgen, dass die Kantone Möglichkeiten finden, damit die Familien die Zeit bis zur Ausschaffung zusammen absitzen können, und das ausserhalb eines Gefängnisses.
Kommission und Bundesrat am Zug
Die Schweizer Ausschaffungshaft sorgt immer wieder für Kritik. Schon vor drei Jahren kritisierte ein UNO-Ausschuss die Praxis, Minderjährige in Ausschaffungshaft zu nehmen. Auch in der Politik war die Ausschaffungshaft schon ein Thema. Die grüne Genfer Nationalrätin Lisa Mazzone reichte letzten Herbst einen parlamentarischen Vorstoss ein, der ein generelles Verbot fordert, Jugendliche zwischen 15 und 18 in Haft zu nehmen.
Dass jetzt auskommt, dass sogar Unter-15Jährige Migranten ins Gefängnis kommen, schockiert sie: «Die Kinder haben ein besonderes Recht auf Schutz», sagt Mazzone. Die Verletzung der Kinderrechtskonvention durch einige Kantone sei «wirklich gravierend.»
Durch den GPK-Bericht erhofft sie sich jetzt mehr Unterstützung für ihr Anliegen. Dieses wird nach der Sommerpause in der zuständigen Kommission diskutiert. Zum Bericht selber muss der Bundesrat Stellung nehmen. Dafür hat er Zeit bis Ende September