Schon als kleiner Bub hat Marco Graf im eigenen Aquarium Fische gezüchtet, alles mit einer Videokamera dokumentiert und auf YouTube gestellt. «Überraschenderweise kam das ganz gut an», sagt er. Seine Leidenschaft für Fische und die Filmerei hat der 30-jährige Schaffhauser unterdessen zu seinem Beruf gemacht. Graf dreht Tier- und Naturfilme für die grosse Leinwand. Als Regisseur, Kameramann und Produzent.
Ich lag einige Wochen lang im Tarnzelt auf der Lauer.
Sein dritter Kinofilm «Raindrop – Reise des Wassers» läuft derzeit im Kino. Der 100-minütige Streifen nimmt das Publikum mit in die Berge zu den Quellen, aus denen das Wasser in Bächen ins Tal fliesst und sich schliesslich durch Wälder und Landschaften den Weg Richtung Meer sucht. Dabei kommen die Zuschauer der Tierwelt sehr nahe.
Teilweise sind Graf spektakuläre Aufnahmen gelungen. Dazu zählen die Lebendgeburt eines Feuersalamanders. Oder die Jagd eines Eisvogels auf kleine Fische im Wasser. «Für diese Szene lag ich einige Wochen lang im Tarnzelt auf der Lauer», erinnert sich Graf. Zumal auch unter Wasser Aufnahmen in Slow Motion zeigen, wie der Eisvogel sein Futter fängt.
Wie ist so etwas überhaupt möglich? Graf schmunzelt. Geduld und Glück seien nötig, aber ein Naturfilmer sei gar nicht so stark vom Zufall abhängig, wie die meisten glaubten. «Sofern man gelernt hat, zu beobachten, ist die Natur ziemlich berechenbar. Wenn ein Vogel weiss, wo er sein Futter findet und immer wieder erfolgreich ist, dann stürzt er sich auch immer wieder an der entsprechenden Stelle in den Bach.»
Das war jenseits von Gut und Böse.
Die Kunst sei, diese Szene in der nötigen Schärfe auf Film zu bannen. Der Vogel müsse genau im richtigen Abstand zur Kamera ins Wasser eintauchen. Und ja, hierbei sei auch Glück gefragt.
Er liess im Studio Pilze wachsen
Vier lange Jahre hat Graf an «Raindrop» gearbeitet. Am aufwändigsten war die einzige Szene, die er nicht in der Natur, sondern in seinem Studio im Schaffhauser Ebnat-Quartier gedreht hat: Es handelt sich um eine sogenannte Zeitraffer-Aufnahme, die zeigt, wie Pilze wachsen und schliesslich wieder zerfallen. «Dafür habe ich einen Waldboden samt Bach und Pflanzen nachgebaut», erklärt Graf.
Die Szene im Wald zu drehen wäre schwierig gewesen, weil es dafür über Wochen hinweg eine konstante Beleuchtung in einem wettergeschützten und bewachten Zelt gebraucht hätte. «Im Studio dauerte es ein ganzes Jahr, bis das Ökosystem angesiedelt war.» Immerhin entstanden daraus 16 Sekunden Aufnahmen, die es auch in den Film geschafft haben. «Aber das war schon jenseits von Gut und Böse», sagt der passionierte Filmemacher.
Sound aus dem Spaghetti-Topf
Übrigens wurden im Studio auch Geräusche von Hand erzeugt. Das sei in einem Naturfilm durchaus üblich, sagt Graf. Wenn Rehe durch den Schnee stapfen oder ein Mäusebussard auf einem Ast landet, sei die Kamera viel zu weit weg vom Originalton.
Die Mikrofone zeichnen alle anderen Geräusche aus der Umgebung lauter auf. Im Kino will zudem auch ein wachsender Schleimpilz vertont sein. Das akustisch plausible Geräusch in diesem Fall: eine Pfanne voll gekochter Spaghetti, die von Hand geknetet wurden.
Graf ist leidenschaftlicher Naturfilmer. Davon leben kann er jedoch nur, weil er nebenher Auftragsfilme für Firmen produziert. Für «Raindrop» musste er Sponsoren suchen. Kulturelle Förderbeiträge erhielt er zu seiner grossen Enttäuschung keine. Dennoch weiss Graf schon jetzt: Auch in seinem nächsten Film werden Tiere und die Natur wieder die Hauptrolle spielen.