Der neue Stundenplan für das kommende Schuljahr an der Oberstufe in Gossau SG überrascht. Er sieht flexible und gleitende Randzeiten für die Schülerinnen und Schüler vor.
Die erste Schulstunde wird freiwillig. Der obligatorische Teil startet neu rund eine Stunde später als heute, nämlich um 08:30 Uhr. Wer den Tag früher beginnen möchte, kann dies tun, entweder mit Sport, einem musischen Angebot oder betreutem Lernen. Wer lieber ausschläft, startet um halb neun für den obligatorischen Teil.
Lehrpersonen seien auf ihn zugekommen, sagt Thomas Eberle, der Schulleiter im Oberstufenzentrum Buechenwald. «Die Jugendlichen sind am Morgen zum Teil passiv und müde, man müsse irgendwas unternehmen, um sie zu aktivieren.»
Ein Projektteam rund um Thomas Eberle und seinen Schulleiterkollegen Roger John hat sich dann vor rund zwei Jahren dem Thema angenommen. Mitgearbeitet haben Schulratsmitglieder, Lehrpersonen und externen Fachpersonen.
Unterstützung aus der Hirnforschung
Die Hirnforscherin Barbara Studer unterstützt den späteren Schulanfang. Aus wissenschaftlicher Sicht mache es Sinn, wenn Jugendliche am Morgen nicht zu früh mit dem Lernen beginnen müssten. «Sie gehen später ins Bett und benötigen am Morgen einen längeren Schlaf, damit sie leistungsfähig sind», so Studer. «Internationale Studien zeigen, dass Jugendliche profitieren, wenn sie am Morgen länger schlafen.»
Der spätere Schulstart habe ausserhalb der Schule aber Überzeugungsarbeit gebraucht, sagt Stefan Rindlisbacher, er ist Schulpräsident von Gossau. «Es hat auch mit Werten zu tun», sagt er. Jemand der fleissig, gut und stark sei, habe am Morgen keine Probleme aufzustehen, dieses Bild sei fest verankert. «Das widerspricht dem natürlich, wenn man jetzt sagt, die Schülerinnen und Schüler können später anfangen.»
An den Pflichtlektionen wird in Gossau nicht gerüttelt. Mathematik oder Sprachen bleiben Fixpunkte für alle. Die Pflichtfächer seien mit dem neu organisierten, Stundenplan mehrheitlich um 15:15 Uhr abgehandelt, sagt Eberle. Danach könnten die Schülerinnen und Schüler nach Hause gehen, ein Wahlfach belegen oder betreut Hausaufgaben erledigen.
Interesse beim Lehrerinnen- und Lehrerverband
Mit dem neuen Ansatz sollen die Jugendlichen stärker in die Pflicht genommen werden. Wer wählt, trage auch Verantwortung, ist die Schule überzeugt. Die Schülerinnen und Schüler sollen mehr Selbstbestimmung erhalten. Dennoch werden sie künftig eng begleitet, sagt Schulleiter Eberle. «Jede Lehrperson führt achtmal im Jahr Einzelgespräche mit ihren Lernenden.» Dieser Dialog werde verstärkt, die Schülerinnen und Schüler würden in ihrem Wochenprogramm unterstützt.
Beim Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz heisst es auf Anfrage, man beobachte den neuen Ansatz der Schule Gossau mit Interesse und man werde sich die Erkenntnisse daraus anschauen.