Das Staatssekretariats für Migration (SEM) zählte am Freitag 55’379 Personen in den Bundesasylzentren, die einen Antrag auf den Schutzstatus S gestellt haben. Die hohe Anzahl und die Betreuung der Flüchtenden bekommen die Kantone deutlich zu spüren. Besonders die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Bern, beide Basel, Schaffhausen, Thurgau und Tessin sind betroffen. Denn sie haben mehr Personen mit Schutzstatus S aufgenommen, als sie dem SEM-Verteilschlüssel zufolge hätten aufnehmen müssen.
Wie eine Umfrage von SRF zeigt, mussten neun Kantone 400 neue Stellen für die Betreuung der Geflüchteten schaffen. So musste der Kanton Luzern den Personalbestand bei den kantonalen Sozialbehörden um 86 oder der Kanton Freiburg um 69 Stellen aufstocken.
Schwierige Rekrutierung wegen Fachkräftemangel
Auch der Kanton Schaffhausen hat seinen Personalbestand seit dem Ukraine-Krieg um 22 Stellen erhöht – vier neue Stellen wurden kürzlich ausgeschrieben. Für Andi Kunz, Leiter des kantonalen Sozialamts Schaffhausen, ist klar, dass es mit dem aktuellen Fachkräftemangel schwierig werde, qualifizierte Angestellte zu finden. «Alle Kantone suchen händeringend nach qualifiziertem Personal. Das wird eine grosse Herausforderung für uns.»
Zwar sei man auf verschiedene Szenarien gut vorbereitet und könne sicherstellen, dass die Flüchtenden einen Wohnraum fänden. Aber die kritische Grösse werde das Personal sein. «Wie schon damals während der Corona-Situation sind es nicht die Beatmungsgeräte und die Plätze in den Intensivstationen, sondern ist es das Personal, das die Geräte bedient – oder in unserem Fall die Geflüchteten begleitet.»
Personalsuche in der Stadt vs. auf dem Land
Per Ende Mai hat der Kanton Bern 513 Flüchtende mehr aufgenommen, als im Verteilschlüssel vorgegeben ist. Christian Rohr, Geschäftsführer des Vereins Asyl Berner Oberland, spricht von einem Null-auf-hundert-Start für sein Personal. «Wir sind vorerst gestartet mit einem Personalbestand von circa 45 Personen. Aktuell sind es circa 110, es werden bald gegen 115, allenfalls sogar 120 sein.»
Bei der Personalsuche sei vor allem ein Unterschied zwischen den Agglomerationen und dem Land spürbar. «Für die Kollektivunterkünfte in Grindelwald oder an der Lenk ist es teilweise schwierig, Personal zu finden – denn die sozialen Berufe sind in den Städten und Agglomerationen stark vertreten, aber weniger auf dem Land.»
Angespanntes Personal und hohe Arbeitslast
Christoph Amstad, Vizepräsident der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), bestätigt, dass sehr viel neues Personal angestellt werden musste – der Personaletat im Sozialdienst Asyl zum Beispiel, der die Flüchtlinge betreut und begleitet, wurde mehr als verdoppelt.
Die Ampel der Personalbelastung stehe auf orange. «Es ist immer noch eine angespannte Situation, aber wir können im Moment alles noch meistern», schildert Amstad. Trotzdem sei das Personal angespannt, denn die Arbeitslast sei seit Wochen hoch. «Eine weitere Herausforderung ist auch die Erwartungshaltung der Schutzsuchenden, der freiwilligen Helferinnen und Helfer, aber auch der Gastfamilien», sagt Amstad.
Die Situation könne sich aber auch sehr schnell ändern, sagt Amstad. So rechnet auch der Bund bis im Herbst mit gegen 120'000 Schutzstatus S-Anträgen, wie er auf Anfrage schreibt.