Heute bestellt, morgen geliefert. Die Regale der Supermärkte sind immer voll mit Tausenden Produkten. Was heute normal ist, hat auch seine Schattenseiten. «Wir hinterlassen kommenden Generationen nur Betonklötze!», sagt ein aufgebrachter Ywan Schürmann. Der 64-Jährige ist in Egerkingen aufgewachsen.
Schürmann hat erlebt, wie seine Heimat sich radikal verändert hat. Die einstige Kornkammer der Schweiz wurde zum Logistikhub. Wo früher Landwirtschaft dominierte, steht heute eine Lagerhalle neben der anderen.
Das Gäu früher und heute
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Bild 1 von 4. Felder und Äcker, so weit das Auge reicht: Diese Luftaufnahme zeigt Egerkingen und Härkingen während des Baus der Autobahn N1 1965. Bildquelle: ETH-Bibliothek/Comet Photo AG (Zürich).
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Bild 2 von 4. Die gleiche Region heute, 60 Jahre später: nach wie vor gibt es Landwirtschaftsflächen. Ins Auge stechen aber vor allem die grossen Lagerhallen. Bildquelle: SRF/Wilma Hahn.
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Bild 3 von 4. Blick auf die Baustelle für das Autobahnkreuz Härkingen 1965. Rundherum ist ausser der Bahnlinie im Vordergrund so gut wie nichts bebaut. Bildquelle: ETH-Bibliothek/Comet Photo AG (Zürich).
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Bild 4 von 4. Heute reiht sich über mehrere Kilometer ein Logistikzentrum ans Nächste. Im Bild der grösste Gebäudekomplex der Region: der Migros-Verteilbetrieb. Bildquelle: SRF/Mario Gutknecht.
Die Lagerhallen brächten gleich eine Reihe von Problemen mit sich. Schürmann stört sich an den oft wenig ansprechenden Gebäuden, die das Landschaftsbild zerstörten. Weiter gibt es viel Verkehr, der von den Logistikbetrieben ausgeht. «Vom CO2-Ausstoss haben wir heute schon schlechte Luft. Wenn alles gebaut wird, was geplant ist, dann erhalten wir nur noch mehr Verkehr und noch mehr Lärm.»
Stimmen wie diejenige von Ywan Schürmann wurden in den letzten Jahren lauter. Denn die Region um das Autobahnkreuz von A1 und A2 im Kanton Solothurn hat sich zum Umschlagplatz der Schweiz entwickelt.
Logistikbetriebe so weit das Auge reicht
Der Hauptgrund ist die Verkehrsanbindung. Von hier sind Lastwagen per Autobahn rasch in Basel, Bern, Luzern und Zürich. Und auch die Westschweiz ist relativ nah. Dazu kommt, dass der Bahnknoten Olten nahe ist und so Güter auch per Bahn schnell in der ganzen Schweiz sind.
Diesen idealen Standort nutzen zig Unternehmen: Post, Coop, Migros, Planzer, Dreier, Meier Tobler, Camion Transport, Emil Egger, Murpf und andere haben innerhalb von wenigen Kilometern ihre Logistikzentren gebaut.
Die Logistikbetriebe profitieren dabei teilweise von der Industriepolitik der 1970er-Jahre. Damals wurde viel Landwirtschaftsland entlang der Autobahnen der Industriezone zugewiesen. Es gibt deshalb heute noch viel freies Industrieland. Dieses wird zwar landwirtschaftlich genutzt, darf rechtlich gesehen aber überbaut werden. Was Ywan Schürmann und anderen Kritikern Angst macht: Es gibt viele weitere geplante Logistikprojekte.
Geplante Logistikzentren
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Bild 1 von 6. Die Transportfirma Murpf wurde in den 1960er Jahren in Hägendorf SO gegründet und expandierte seitdem stark. Heute sind 230 Fahrzeuge für das Unternehmen im Einsatz. Murpf möchte weiter expandieren und plant einen Neubau. Bildquelle: SRF/Andreas Brandt.
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Bild 2 von 6. Das grösste Verteilzentrum im Gäu hat die Migros. Im Bild ist das Hochregal im Tiefkühllager zu sehen. Migros will den Verteilbetrieb weiter ausbauen. Bildquelle: Keystone/Gaetan Bally.
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Bild 3 von 6. Coop investiert 80 Millionen Franken in die Erweiterung des Verteilzentrums in Wangen bei Olten und Rickenbach SO. Geplant ist u.a. ein neues Hochregallager. Bildquelle: SRF/Andreas Brandt.
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Bild 4 von 6. Die Post hat in Härkingen schon ein Paket- und ein Briefzentrum in Betrieb. Nun soll ein weiteres Paketzentrum dazukommen. Bildquelle: Keystone/Alessandro della Bella.
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Bild 5 von 6. Die SBB plant in der Gegend ein Umschlagterminal, bei dem Güter von Lastwagen auf die Schiene umgeladen werden können. Auch dieses Projekt würde Landwirtschaftsland beanspruchen. Das Bild zeigt das bestehenden Umschlagterminal in Dietikon ZH. Bildquelle: Keystone/Gaetan Bally.
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Bild 6 von 6. Die Planung des unterirdischen Gütertransportsystem Cargo Sous Terrain läuft aktuell nicht mehr so wie ursprünglich gedacht. Falls es trotzdem realisiert würde, wären in der Region gleich zwei Hubs geplant, in denen Güter von Lastwagen auf das System umgeladen würden. Bildquelle: ZVG/Cargo Sous Terrain.
Für die Landwirtschaft in der Region ist die Entwicklung dramatisch. «Wir haben hier in der Region Betriebe, die um die Existenz kämpfen», sagt Christoph Haefely, Präsident des regionalen Bauernverbands. «Es ist ungewiss, ob kommende Generationen die Bauernhöfe noch übernehmen wollen, wenn immer mehr Land verschwindet.»
Natürlich gibt es auch Profiteure der Entwicklung. Unbebautes Land ist ein gefragtes Gut geworden. Wer solches besitzt, kann sich Hoffnungen auf Verkauf machen. Auch Gemeinden profitieren, wenn sie Land besitzen oder wenn Land umgezont wird und eine Abgabe fällig wird. Es geht teils um Millionenbeträge. Natürlich zahlen die Logistikbetriebe auch Steuern.
Jeder vierte Arbeitsplatz in der Logistik
Ausserdem sind die Logistikbetriebe Arbeitgeber. So arbeiten im Kanton Solothurn mehr als 10'000 Personen in der Branche. In der Region rund ums Autobahnkreuz Härkingen ist das jeder vierte Arbeitsplatz. Jobs, die im wirtschaftlich schwach aufgestellten Kanton Solothurn gefragt sind.
Somit kämpfen die Kritikerinnen und Kritiker der Lagerhallen auch gegen Interessen aus der Industrie an. Und gegen die Ansprüche der Konsumentinnen und Konsumenten, wie Bauer Christoph Haefely sagt: «Wenn jedes Produkt immer verfügbar sein muss, dann braucht das extrem grosse Lagerflächen.»