Das neu gegründete Europäische Institut für sichere Kommunikation (EISC) hat das Ziel, Leben zu retten. Und zwar durch Erforschung der Kommunikation in Hochrisiko-Branchen, wie der Rettung oder dem Gesundheitswesen. Da entscheidet über Leben und Tod, wie Menschen miteinander sprechen und was sie sich mitteilen.
Präsidentin des Instituts ist Annegret Hannawa. Sie ist Professorin für Gesundheitskommunikation und empirische Forschungsmethodik an der Universität Lugano. Im Interview erzählt sie, welche gravierenden Auswirkungen schlechte Kommunikation haben kann und was sie mit ihrer Forschung dagegen tut.
SRF News: Können Sie ein Beispiel geben für unsichere Kommunikation – und die Auswirkung davon?
Annegret Hannawa: Ein Kleinkind mit einem komplexen angeborenen Herzfehler lag nach der Operation auf der Intensivstation. Die Pflegefachkraft registrierte Fieber und Atemnot und wollte dies dem Stationsarzt mitteilen. Dieser war gerade am Telefon und die Pflege ging davon aus, dass der Chirurg über die Komplikationen informiert wird. Der Stationsarzt sprach aber mit dem Oberarzt. Die Situation zog sich hin, und als der Chirurg schliesslich im Spital erschien, hatte sich der Gesundheitszustand des 20 Monate jungen Kindes derart verschlechtert, dass es wenig später starb.
Wie kommen Sie an Daten und Angaben zu solchen und ähnlichen Fällen?
Über Umfragen bei betroffenen Berufsgruppen – beispielsweise im Gesundheitswesen – oder durch die Analyse bereits bestehender Daten wie Audioaufnahmen von Rettungsflug-Funksprüchen. Dann arbeite ich auch im Feld: Ich bin mit einer Rettungsorganisation mitgeflogen oder war in einem Operationssaal und habe mitgehört.
Wie sieht Ihre Forschung und deren Anwendung aus?
Wir arbeiten mit verschiedenen Hochrisiko-Branchen zusammen: Luftfahrt, Gesundheitswesen, Rettung und die Energie. Von ihnen lassen wir uns erzählen, wo die Brennpunkte sind, wo es wegen der Kommunikation zu Sicherheitsproblemen kommen könnte.
Man darf nie davon ausgehen, dass Kommunikation stattgefunden hat.
In der Luftfahrt können beispielsweise ganz einfache Ausdrücke wie «turn around» wegen ungenügender Kommunikation falsch interpretiert werden. Gemeinsam suchen wir dann nach Lösungen. Mithilfe von Schulungen und Simulationstrainings implementieren wir diese Lösungen.
Was kann dies im konkreten Fall bedeuten? Was würden Sie der Pflegefachkraft und den Ärzten vom eingangs erwähnten Beispiel raten?
Es ginge sicher ganz grundlegend darum, ein Verständnis dafür aufzubauen, wie wichtig korrekte Kommunikation für uns Menschen ist. Seit Urzeiten dient sie uns Menschen als Sicherheitsmechanismus. Den betroffenen Personen würden wir verständlich machen, dass sie nie davon ausgehen dürfen, dass Kommunikation stattgefunden hat. Und auch wenn sie stattgefunden hat, ist nicht sicher, dass alle vom selben sprechen – dass ein einheitliches Verständnis vorhanden ist. Das könnten wir durch den erwähnten Prozess sicherstellen.
Das Gespräch führte Mirjam Breu.