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Hannawa: «Wir dürfen nie davon ausgehen, dass Kommunikation stattgefunden hat»
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 19.08.2024. Bild: ZVG
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Forschung in Altdorf UR Schlechte Kommunikation kann Leben gefährden

Das neu gegründete Europäische Institut für sichere Kommunikation (EISC) hat das Ziel, Leben zu retten. Und zwar durch Erforschung der Kommunikation in Hochrisiko-Branchen, wie der Rettung oder dem Gesundheitswesen. Da entscheidet über Leben und Tod, wie Menschen miteinander sprechen und was sie sich mitteilen.

Präsidentin des Instituts ist Annegret Hannawa. Sie ist Professorin für Gesundheitskommunikation und empirische Forschungsmethodik an der Universität Lugano. Im Interview erzählt sie, welche gravierenden Auswirkungen schlechte Kommunikation haben kann und was sie mit ihrer Forschung dagegen tut.

Annegret Hannawa

Präsidentin Europäisches Institut für sichere Kommunikation

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Die Kommunikationswissenschaftlerin ist nebst ihrer Aufgabe am Institut auch Professorin für Gesundheits-Kommunikation an der Universität Lugano.

SRF News: Können Sie ein Beispiel geben für unsichere Kommunikation – und die Auswirkung davon?

Annegret Hannawa: Ein Kleinkind mit einem komplexen angeborenen Herzfehler lag nach der Operation auf der Intensivstation. Die Pflegefachkraft registrierte Fieber und Atemnot und wollte dies dem Stationsarzt mitteilen. Dieser war gerade am Telefon und die Pflege ging davon aus, dass der Chirurg über die Komplikationen informiert wird. Der Stationsarzt sprach aber mit dem Oberarzt. Die Situation zog sich hin, und als der Chirurg schliesslich im Spital erschien, hatte sich der Gesundheitszustand des 20 Monate jungen Kindes derart verschlechtert, dass es wenig später starb.

Hier lauern die Gefahren in der Kommunikation

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Laut Annegret Hannawas Forschung gibt es fünf Kommunikationspraktiken, mit denen sich vermeidbare Schadensfälle verhindern lassen.

Suffizienz: Es werden ausreichend Informationen ausgetauscht, um ein gemeinsames Verständnis zu erreichen.

Genauigkeit: Botschaften werden genau übermittelt und verstanden, und die Genauigkeit der Botschaft wird durch zwischenmenschliche Kommunikation bestätigt.

Klarheit: Botschaften werden klar vermittelt, ohne Ambivalenzen wahrgenommen und verbleibende Unsicherheiten durch zwischenmenschliche Kommunikation abgebaut.

Kontextbezug: Kontextbedingte Hindernisse, die einem gemeinsamen Verständnis im Wege stehen, werden beseitigt (z.B. Lärm, Hierarchien, Zeitdruck, abweichende Ziele).

Interpersonelle Anpassungsfähigkeit: Kognitive, sprachliche oder emotionale Schwierigkeiten beim Verfolgen einer Nachricht werden erkannt und berücksichtigt, um ein gemeinsames Verständnis zu gewährleisten.

Wie kommen Sie an Daten und Angaben zu solchen und ähnlichen Fällen?

Über Umfragen bei betroffenen Berufsgruppen – beispielsweise im Gesundheitswesen – oder durch die Analyse bereits bestehender Daten wie Audioaufnahmen von Rettungsflug-Funksprüchen. Dann arbeite ich auch im Feld: Ich bin mit einer Rettungsorganisation mitgeflogen oder war in einem Operationssaal und habe mitgehört.

Frau in Rega-Helikopter schaut aus dem Fenster
Legende: In der Rettung, zum Beispiel bei der Rega, kann ungenügende Kommunikation fatale Auswirkungen haben. Es ist eine Branche, auf die sich Annegret Hannawa mit ihrer Forschung konzentriert. Keystone/Gaetan Bally

Wie sieht Ihre Forschung und deren Anwendung aus?

Wir arbeiten mit verschiedenen Hochrisiko-Branchen zusammen: Luftfahrt, Gesundheitswesen, Rettung und die Energie. Von ihnen lassen wir uns erzählen, wo die Brennpunkte sind, wo es wegen der Kommunikation zu Sicherheitsproblemen kommen könnte.

Man darf nie davon ausgehen, dass Kommunikation stattgefunden hat.

In der Luftfahrt können beispielsweise ganz einfache Ausdrücke wie «turn around» wegen ungenügender Kommunikation falsch interpretiert werden. Gemeinsam suchen wir dann nach Lösungen. Mithilfe von Schulungen und Simulationstrainings implementieren wir diese Lösungen.

Zwei Frauen in Helikopter
Legende: Für einen Teil ihrer Forschung geht Annegret Hannawa (rechts) ins Feld. Beispielsweise ist sie mit Rettungshelikoptern mitgeflogen. ZVG

Was kann dies im konkreten Fall bedeuten? Was würden Sie der Pflegefachkraft und den Ärzten vom eingangs erwähnten Beispiel raten?

Es ginge sicher ganz grundlegend darum, ein Verständnis dafür aufzubauen, wie wichtig korrekte Kommunikation für uns Menschen ist. Seit Urzeiten dient sie uns Menschen als Sicherheitsmechanismus. Den betroffenen Personen würden wir verständlich machen, dass sie nie davon ausgehen dürfen, dass Kommunikation stattgefunden hat. Und auch wenn sie stattgefunden hat, ist nicht sicher, dass alle vom selben sprechen – dass ein einheitliches Verständnis vorhanden ist. Das könnten wir durch den erwähnten Prozess sicherstellen.

Das Gespräch führte Mirjam Breu.

Das Institut für sichere Kommunikation

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Das Europäische Institut für sichere Kommunikation fokussiert aktuell auf vier Sicherheitsbereiche: Luftfahrt, Gesundheitswesen, Rettung und globale Krisensituationen. Hier können Fehler in der zwischenmenschlichen Kommunikation lebensgefährliche Auswirkungen haben.

In der Luftfahrt etwa seien 80 Prozent der Unfälle auf schwerwiegende Missverständnisse zurückzuführen, schreibt das Institut.

Den Bereich Luftfahrt leitet Manfred Müller. Er ist ehemaliger Leiter der Flugsicherheitsforschung der Lufthansa AG. Den Bereich Gesundheitswesen leitet Liam Donaldson. Er ist unter anderem Beauftragter der WHO für Patientensicherheit.

Die Bereichsleitungen für Rettungswesen und Krisensituationen sind aktuell noch nicht besetzt.

(Quelle: safecominstitute.org)

Regionaljournal Zentralschweiz, 14.8.2024, 17:30 Uhr ; 

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