Das Thema Femizid beschäftigt die Schweiz. Allein Oktober wurden vier Frauen getötet, zwei weitere überlebten gemäss Stop Femizid eine Gewalttat. Wir berichteten darüber und erhielten viele Reaktionen und Anfragen der SRF-Userinnen und -Usern. In diesem Artikel versuchen wir, die wichtigsten von der Community gestellten Fragen zu beantworten.
Was genau ist ein Femizid? Gemäss dem Europäischem Institut für Gleichstellungsfragen (EIGE) bedeutet Femizid die Tötung von Frauen, Mädchen oder weiblich gelesenen Personen aufgrund ihres Geschlechts. Man spricht von einem Femizid, wenn eine Frau zum Beispiel von ihrem (Ex-)Partner oder von männlichen Familienmitgliedern getötet wird. Auch zielgerichtete tödliche Hass-Verbrechen gegen cis / trans Frauen und Mädchen fallen unter diesen Begriff. Von der Polizei, dem Bund und in offiziellen Statistiken wird der Begriff Femizid aktuell nicht spezifisch verwendet.
Wie kann man Femizide und Beziehungsdelikte differenzieren? Der Begriff «Beziehungsdelikt» ist insofern problematisch, als er suggerieren kann, dass beide Personen mitschuldig sind an der Gewalt an einer Frau. Das Wort «Beziehungsdelikt» verharmlost so das strukturelle Problem der Gewalttaten an Frauen. Mit dem Begriff «Femizid» wird versucht, diese Problematik genau zu benennen und sichtbar zu machen.
Gemäss einem Bericht des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) wird Gewalt in bestehenden oder ehemaligen Partnerschaften grossmehrheitlich in heterosexuellen Paarbeziehungen registriert. In weniger als 1 % aller Straftaten bei Partnerschaftsgewalt haben Täter/Täterin und Opfer das gleiche Geschlecht (homosexuelle Partnerschaft).
In welchem Verhältnis zu sonstigen Morden stehen Femizide? Drei von vier Frauen, die in der Schweiz in den vergangenen zehn Jahren umgebracht wurden, starben durch häusliche Gewalt. Sie wurden beispielsweise durch ihren Partner, Ex-Partner, Cousin, Vater oder Bruder umgebracht. 25 Prozent der getöteten Frauen starben im ausserhäuslichen Bereich, wie aus den Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervorgeht.
Tötungsdelikte im häuslichen Bereich machen rund einen Drittel aller Tötungsdelikte in der Schweiz aus (BFS). Durchschnittlich stirb in der Schweiz all zwei Wochen eine Frau durch einen Femizid im häuslichen Bereich. Zusätzlich kommt es jede Woche durchschnittlich mindestens zu einem versuchten Femizid.
Gibt es seit der Corona-Pandemie mehr Femizide? Dazu fehlen offizielle Statistiken. Gemäss dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) wurden in den zehn Jahren zwischen 2009 und 2018 insgesamt 186 Frauen und Mädchen Opfer häuslicher Gewalt. Pro Jahr sind das 18 bis 19 Femizide.
2020 kam es gemäss Stop Femizid zu mindestens 15 Femiziden in der Schweiz. Dieses Jahr sind es bis zum 28. Oktober bereits 23 solche Frauenmorde. Inwiefern Corona eine Rolle spielt, kann aber nicht gesagt werden, weil offizielle Statistiken fehlen beziehungsweise Tatmotive, -hintergründe und -umstände sowie Details zu den Beziehungshintergründen zwischen Täter und Opfer nicht erfasst werden. Eine Zusatzerhebung des Bundes soll dazu nächstes Jahr ersten Antworten liefern.
Wie viele Androzide (Tötung einer Person des männlichen Geschlechts) gibt es? Wie Femizide werden auch Androzide in offiziellen Statistiken nicht als solche ausgewiesen. Gemäss dem BFS werden Männer mehrheitlich von anderen Männern umgebracht – vor allem im ausserhäuslichen Bereich. Aber auch dort fehlen statistische Informationen zu den Tathintergründen. Es wird beispielsweise nicht erfasst, inwieweit schwule und queere Männer (aufgrund ihrer sexuellen Orientierung) oder trans Männer (aufgrund ihrer Geschlechtsidentität) im öffentlichen Raum mehr von Gewalt betroffen sind als heterosexuelle cis Männer.