Zum Inhalt springen

Fragwürdiger Weltglücksreport? Glücksreport: «völlig falsche» Einschätzung der Schweiz

Die UNO hat zusammen mit der Universität Oxford den jährlichen Weltglücksbericht herausgebracht. An der Spitze steht Finnland. Die Schweiz fällt um vier Plätze zurück und kommt auf Rang 13. Ein Grund dafür sind die vielen Einpersonenhaushalte in der Schweiz. Der Glücksforscher Bruno Frey äussert seine Zweifel an der Wissenschaftlichkeit des Reports.

Bruno S. Frey

Wirtschaftswissenschaftler

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Bruno S. Frey ist Schweizer Wirtschaftswissenschaftler, Experte der ökonomischen Glücksforschung sowie als führender Forscher im Bereich der Kulturökonomik. Weiter ist er Forschungsdirektor bei CREMA – Center for Research in Economics, Management and the Arts in Zürich. Frey hat schon verschiedene Publikationen zum Thema Massentourismus herausgegeben.

SRF News: Ist das wirklich korrekt, dass das Glück des Einzelnen an der Grösse des Haushalts messbar ist?

Bruno Frey: Das ist völlig falsch. Man kann ja in der Schweiz wählen, wie man wohnen will. Und wenn Leute es vorziehen, allein zu wohnen, ist doch das ein Glücksfaktor.

Das misst der World Happiness Report

Box aufklappen Box zuklappen
  • Datenquellen: Der World Happiness Report (WHR) nutzt Daten aus dem Gallup World Poll (GWP), der weltweit in über 140 Ländern durchgeführt wird.
  • Subjektives Wohlbefinden (SWB): Die Hauptmessgrösse ist das subjektive Wohlbefinden, das durch eine Lebensbewertungsfrage auf einer Skala von 0 bis 10 erfasst wird.
  • Zusätzliche Indikatoren: Neben dem SWB werden auch Faktoren wie soziale Unterstützung, Einkommen, Freiheit, Vertrauen, Grosszügigkeit und Gesundheit berücksichtigt.
  • Statistische Analysen: Die Daten werden statistisch analysiert, um die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Indikatoren und dem subjektiven Wohlbefinden zu verstehen.
  • Jährliche Themen: Jedes Jahr wird zudem ein spezielles Thema untersucht. Im Jahr 2024 liegt der Fokus auf dem Wohlbefinden in verschiedenen Lebensphasen.
    Quelle: World Happiness Report 2024

Der Report erweckt den Eindruck, wer allein lebt, sei automatisch einsam. Was ist Ihre Einschätzung zur Einsamkeit in der Schweiz?

Einsamkeit macht in der Tat unglücklich. Aber ob jemand, der allein lebt, sich einsam fühlt, ist fragwürdig. Denn das bedeutet gleichzeitig auch, dass man mehr Kontakte mit anderen Menschen hat, mit Gleichaltrigen und oder mit solchen, die ein Hobby teilen. Und das ist doch positiv.

Die Menschen in der Schweiz sind erstaunlich glücklich.

Was ist bekannt über das Einsamkeitsgefühl der Menschen, die in der Schweiz leben? Wie einsam fühlen sich die Menschen?

Nicht besonders einsam im Vergleich zu anderen Ländern. Da ist viel Ideologie dabei. Wenn man Italiener fragt, sagen die immer, wie toll die vielen Kontakte sind. Aber in Wirklichkeit ist das alles nicht so grossartig. Das gehört mehr zum Image eines Landes. Ich denke nicht, dass Schweizerinnen und Schweizer unglücklicher geworden sind, weil sie mehr allein leben. Noch mal: Das ist ja eine persönliche Entscheidung. Und wenn man jetzt verbieten würde, dass Leute allein leben, dann hätten die sicher ein Problem.

Ein Schornsteinfeger hält kleine Schornsteinfigur mit Leiter.
Legende: Die Annahme, dass unglücklich ist, wer nicht im Schoss seiner Familie lebt, ist gerade in der fragmentierten Schweiz ein Anachronismus. Keystone/Matthias Bein

Sie stellen diesen Weltglücksreport grundsätzlich infrage. Wo würden denn Sie die Schweiz verorten?

Die Menschen in der Schweiz sind erstaunlich glücklich. Ich denke genauso glücklich wie die Finnen, Schweden und Dänen. In den Untersuchungen, die bisher gemacht wurden, belegt die Schweiz manchmal den zweiten Rang, manchmal den dritten und manchmal sogar den ersten Platz. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir am Glück arbeiten müssen, zum Beispiel daran, dass die Demokratie sich immer wieder erneuert. Ich bin also keineswegs der Meinung, dass wir im Grossen und Ganzen glücklich sind, weil wir im Moment glücklich sind, und dass wir deshalb alles gleich lassen können. Wir müssen uns vielmehr bemühen, uns an neue Bedingungen anzupassen.

Dieser Weltglücksreport ist völlig falsch

Woran machen Sie das fest, Glück ist eine persönliche Empfindung? Wie kommen Sie zum Schluss, dass die Menschen in der Schweiz mehrheitlich zufrieden sind?

Das ist das Ergebnis einer Umfrage, in der wir einzelne Personen fragten, wie zufrieden sie insgesamt mit dem Leben seien, das sie führten? Dies können sie dann auf einer Skala von 0 bis 10 einstufen. Da sind die Schweizerinnen und Schweizer immer zwischen 7 und 8 platziert, eigentlich näher bei 8 als bei 7, was international äusserst gut ist und dem Rang skandinavischer Länder entspricht. Ich halte diese Untersuchung, diesen Weltglücksbericht für völlig falsch. Da wird irgendetwas als glücksbringend betrachtet und anderes wird ausgelassen. Also zum Beispiel, dass in der Schweiz die Kriminalität und besonders tödliche Angriffe sehr selten sind. In Ländern wie zum Beispiel Costa Rica oder Mexiko, deren Glück in dieser Untersuchung hoch eingestuft wird, dürfte die Berücksichtigung dieses Kriteriums sicher auf die Stimmung und damit auf das Ranking schlagen.

Das Gespräch führte Reena Thelly

SRF 4 News, 20.3.2025 ; 

Meistgelesene Artikel