Es ist ein grosser, internationaler Sportanlass. Doch im Gegensatz zu der Ausgabe der Männer, sorgt die EM der Frauen in der Öffentlichkeit kaum für Aufsehen. «Man kann im Sportclub, mit den Nachbarn oder mit der Familie über die EM sprechen und es heisst: Es sei doch nicht EM, sondern WM in Katar.»
So sagt es die Bernerin Deborah Kagerbauer, die selbst Fussball spielt. Sie findet es unverständlich, dass alle nur an die Männer-WM im Herbst denken würden und kaum jemand über die Frauen-EM Bescheid wisse.
Wäre es ein Männer-Event, wäre in den Städten alles voller Flaggen.
«Wäre es ein Männer-Event, wäre in den Städten alles voller Flaggen. Die Autos wären mit Fahnen ausgestattet. Doch bei den Frauen sieht man nichts.» Kagerbauer will mit einem zehnköpfigen Kollektiv die EM in der Region Bern sichtbar machen.
Kollektiv will mehr Sichtbarkeit für Frauenfussball
Das Kollektiv EM 2022 wirbt mit Plakaten, Postkarten oder auf Social Media. Zudem hat es 200 Bars und Restaurants in der Stadt Bern angefragt, ob sie ein Public Viewing einrichten würden. Das Resultat: die meisten winkten ab – weil sie keinen Sport zeigen würden oder keinen Platz im Programm hätten.
«Viele wollten aber wissen, ob sie die Terrasse überhaupt nutzen dürfen. Das mussten wir abklären, um die Bars zu überzeugen», sagt Kagerbauer. Sie hätten sich schon früh bei der Stadt Bern gemeldet, weshalb es nun eine Globalbewilligung gibt. Auf sämtlichen offiziellen Restaurant-Terrassen dürfen Live-Spiele gezeigt werden – bis nach Ende der Übertragung oder bis spätestens 00:30 Uhr, so die Gewerbepolizei.
Mehr Sichtbarkeit bedeutet mehr Wertschätzung.
14 Restaurants hätten schliesslich zugesagt, ein Public Viewing anzubieten. Das sei ein kleiner, aber wichtiger Schritt für mehr Sichtbarkeit des Frauenfussballs. Mehr Sichtbarkeit bedeute auch mehr Wertschätzung und Respekt: «Die Frauen leisten im Spitzensport dieselbe Arbeit und haben dieselbe Anerkennung verdient», so Kagerbauer.
Auch in Basel und Zürich wie bei den Männern
Ganz so schnell wie in Bern ging es in Basel und Zürich nicht – aber auch in beiden Städten dürfen die Spiele der Frauen-EM draussen gezeigt werden. Zürich erteilt diese Ausnahmebewilligung laut Tamedia-Berichten erstmals für ein Frauenturnier. Die Regelung wurde jedoch erst einige Tage vor Beginn der EM ausgearbeitet.
Die Basler Regierung teilte letzte Woche mit, dass die Frauenfussball-EM gleich wie jene der Männer geregelt werde und entsprechend angepasste Öffnungszeiten für Gastrobetriebe gelten.
Interne Proteste in Luzern
Anders als bei der EM der Männer letzten Sommer ist das Fussballfieber auch in der Stadt Luzern deutlich weniger ausgeprägt. Das Konzerthaus «Schüür» beispielsweise überträgt in seinem Garten EM- und WM-Spiele der Männer. Für die Frauen-EM wollte es auf ein Public Viewing verzichten. Es sei sinnvoller, den Garten für Konzerte zu nutzen, hiess es. Nach internen Protesten schwenkte die «Schüür»-Leitung um und zeigt nun alle Spiele der Fussball-EM. Zwar nicht im Garten, aber im Konzertsaal.
Erstmals gibt es auch ein Schweizer Sammelalbum zur Frauenfussball-EM. Der Luzerner Verein «Tschutti-Heftli» gibt seit 2008 bei grossen Fussballturnieren jeweils ein Sammelalbum heraus – als künstlerische Alternative zu den Panini-Bildern. Diesen Frühling hat der Verein erstmals ein Heft zu einem Frauenturnier lanciert, um den Frauenfussball sichtbarer zu machen. Es gibt also durchaus Bestrebungen, dem Frauenfussball eine Bühne zu geben.