Massive Holzpfosten ragen in regelmässigen Abständen aus dem Boden, entlang von grünen Wiesen und Feldern in Welschenrohr im Solothurner Jura. Beim Hof «Sollmatt» inmitten der idyllischen Landschaft liegen mächtige Metallpfosten mit Schraubgewinde, die darauf warten, in die Erde getrieben zu werden. Es ist klar: Der Zaun, der hier gebaut wird, muss besonders stabil sein.
Im September sollen hier in einem elektrisch eingezäunten, 51 Hektar grossen Areal, Wisente einziehen. Das Pilotprojekt soll zeigen, ob die einst heimischen Ur-Rinder heute wieder frei in der Schweiz leben könnten.
Während zwei Jahren in diesem Gehege und weiteren drei Jahren auf einer doppelt so grossen Fläche, wird die Testherde aus fünf Tieren unter Überwachung ausgewildert. Der Grossteil der insgesamt 106 Hektar befindet sich im Wald der Bürgergemeinde Solothurn. Falls diese Phase erfolgreich ist, soll die Herde für weitere fünf Jahre ohne Zaun im Solothurner Jura herumziehen können.
Die Wisente kommen, der Graben bleibt
So romantisch friedlich grasende Wisente scheinen mögen: Sie sind heftig umstritten. Seit die Idee vor einigen Jahren lanciert wurde, liefern sich Befürworter und Gegner emotionale Debatten über Sinn und Unsinn. Erst ein Entscheid des Bundesgerichts ermöglichte den Versuch in der Region Thal. Auch jetzt, da die Ansiedelung der Tiere unmittelbar bevorsteht, ist der Graben zwischen beiden Seiten spürbar.
Auf der einen Seite gibt es etwa Stefan Müller-Altermatt, Mitte-Nationalrat und Gemeindepräsident von Herbetswil, einem Dorf direkt neben dem Wisent-Versuch. Müller-Altermatt gehört zu den Mitinitianten des Projektes und ist überzeugt vom Nutzen.
Im Gespräch mit SRF verweist er auf ökologische Aspekte, dass es sinnvoll sei, wenn man mithelfe, eine bedrohte Tierart zu retten. Nur das Tierwohl alleine reiche aber nicht, betont er. Die Wisente könnten sich auch wirtschaftlich lohnen: «Es könnte eine Art Marke für die Region werden, das finde ich auch volkswirtschaftlich spannend.» Die Sorgen der Projektgegner kann er damit aber nicht zerstreuen.
Auf den Punkt bringt diese Sorgen Landwirt Edgar Kupper. Wie Müller-Altermatt ist er Mitte-Politiker und auch er ist Gemeindepräsident eines Dorfes im Solothurner Jura, von Laupersdorf. Zudem ist er Geschäftsführer des kantonalen Bauernverbands.
So engagiert die Initianten ihr Projekt anpreisen, so heftig kritisiert Kupper dieses als «Utopie». Die Wisente führten zu Konflikten mit Bikerinnen, Wanderern und dem Strassenverkehr, ist er überzeugt. Vor allem aber würden Landwirte und Gartenbesitzerinnen unter komplett frei lebenden Wisenten leiden: «Tiere suchen dort Nahrung, wo sie am einfachsten zu vielen Kalorien kommen. Das ist nicht vorwiegend im Wald, sondern in Kulturen.»
Die Meinungen zum Wisent-Projekt im Solothurner Jura sind gemacht, der Graben scheint tief. Allenfalls kann der Beginn der Auswilderung der riesenhaften Ur-Rinder nun eine Brücke schlagen zwischen den Lagern. Sobald die ersten Wisente im noch eingezäunten Gebiet leben, geht es nicht mehr um Annahmen. Dann lassen sich die Aussagen von Gegnern und Befürwortern an der Realität messen.