- Eine Mehrheit des Nationalrats will kein Verbot für eine direkte oder indirekte Impfpflicht in die Verfassung schreiben.
- Eine deutliche Mehrheit aller Parteien, mit Ausnahme der SVP, hat sich für ein Nein zur Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» der «Freiheitlichen Bewegung Schweiz» ausgesprochen.
- Der Nationalrat sprach sich auch gegen die Ausarbeitung eines Gegenvorschlags aus.
- Als Nächstes geht das Geschäft in den Ständerat.
Die Initiative will mit einer Verfassungsänderung eine Impfpflicht und bei Bekämpfungsmassnahmen übertragbarer Krankheiten eine Differenzierung der Bevölkerung nach Impfstatus ausschliessen. Doch die Forderung bezieht sich dem Initiativkomitee zufolge nicht nur auf die Corona-Pandemie. Sie soll auch gelten «für Impfstoffe, für Chips, für digitale Informationen im Körper».
Zu allgemeine Formulierung
Das Anliegen hatte im Nationalrat einen schweren Stand. Die Rechtskommission des Nationalrats (RK-N) hielt die auch «Stopp Impfpflicht» genannte Initiative für zu allgemein formuliert und empfahl ein Nein. Der Nationalrat folgte ihr mit 140 zu 35 Stimmen bei acht Enthaltungen. Die Mehrheit befürchtete aufgrund der allgemeinen Formulierung des Initiativtexts unerwünschte Auswirkungen des Begehrens, etwa im Strafvollzug oder bei der Entnahme von DNA. Ausserdem ist aus Sicht der meisten Fraktionen das Grundrecht auf persönliche Freiheit und körperliche Unversehrtheit bereits in der Bundesverfassung verankert.
Philipp Bregy (Mitte/VS) betonte zudem, dass niemand gezwungen werde, sich impfen lassen zu müssen. «Die Nichtimpfung hatte Folgen», räumte Bregy in Bezug auf die Pandemiezeit ein. «Aber die Entscheide waren verhältnismässig und sie haben nie in den Kerngehalt der Grundrechte eingegriffen.»
Wichtiges Anliegen aus Sicht der SVP
Die SVP wollte die Selbstbestimmung in Sachen Impfen oder in Bezug auf «jedes andere biomedizinische Verfahren» mit einem Gegenvorschlag aufnehmen. Lukas Reimann (SVP/SG) ging in seiner Rede auf die Ungeimpften, die während der Corona-Pandemie vieles hätten hinnehmen müssen. «Der staatliche Zwang wird diese Menschen noch viel mehr davon überzeugen, dass die Demokratie hier übers Ziel hinausschiesst.» Das Komitee sei offen für einen Rückzug der Initiative, falls ein Gegenvorschlag ausgearbeitet werde, ergänzte Jean-Luc Addor (SVP/VS). Doch die SVP-Anträge für einen direkten oder indirekten Gegenvorschlag waren chancenlos.
Yvette Estermann (SVP/LU) zufolge, die zum Initiativkomitee gehört, ist die Initiative nötig. «Die Welt wird nicht mehr so sein, wie sie früher war. Es kommen immer mehr Einschränkungen auf uns zu, was die persönliche Freiheit betrifft», betonte sie.
Patricia von Falkenstein (LDP/BS) begründete namens der Mehrheit, die Initiative gehe weit über das Impfen hinaus, führe zu Rechtsunsicherheit und wecke falsche Erwartungen. Es sei nicht Aufgabe des Parlaments, missglückte Initiativen zu korrigieren, sagte sie zur Forderung nach Gegenvorschlägen.
Der Bundesrat stellt sich gegen die Initiative und will auch keinen Gegenvorschlag. Der Text – und nur auf diesen komme es bei einer Umsetzung an – würde Gesundheitsminister Alain Berset zufolge staatliches Handeln in vielen Belangen verunmöglichen. Als Nächstes ist der Ständerat am Zug.