Hinter dem Begriff Stealthing verbirgt sich eine Täuschung – nämlich, wenn der Mann während dem Sex heimlich das Kondom abzieht. Und das, obwohl zuvor klar vereinbart wurde, dass der Geschlechtsverkehr geschützt sein soll.
Kondom heimlich abgestreift
Stealthing kam in den letzten fünf Jahren erstmals vor die Schweizer Gerichte. Dabei zeigte sich, dass eine Bestrafung schwierig ist. In den Kantonen Zürich und Basel-Landschaft kam es zu Freisprüchen, weil eine Anklage wegen Schändung dem geltenden Recht nicht standhält. Das wird nun durch das Bundesgericht bestätigt.
Im Zürcher Fall entfernte ein 19-jähriger Mann beim Sex mit einer 18-jährigen Frau heimlich das Kondom während eines Stellungswechsels. Vereinbart war ausdrücklich ein geschützter Geschlechtsverkehr.
Im Baselbiet bestellte sich ein Mann eine Escort-Dame nach Hause, welche ihm die Spielregeln gleich zu Beginn klarmachte: Dass es nur geschützten Sex gibt. Auch in diesem Fall streifte der Mann heimlich das Kondom ab.
Stealthing ist keine Schändung
In beiden Fällen wurden die Männer von der Anklage wegen Schändung freigesprochen. Mit diesem Tatbestand wird bestraft, wer eine «urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige» Person zum Beischlaf missbraucht, so das aktuelle Strafgesetzbuch.
Nach den Freisprüchen vor den kantonalen Gerichten kam bald die Frage auf, ob Stealthing in der Schweiz überhaupt bestraft werden kann oder nicht. Denn eine Anklage wegen Vergewaltigung ist nicht möglich, da die Opfer nicht zum Sex genötigt wurden: Der Geschlechtsverkehr war – bis das Kondom entfernt wurde – einvernehmlich.
Eine Lücke im Sexualstrafrecht
Das Bundesgericht kommt nun zum Schluss, dass Stealthing tatsächlich nicht mit Schändung bestraft werden kann. Denn beim Stealthing werden die Opfer getäuscht. Sie können deshalb nicht als widerstandsunfähig oder urteilsunfähig angesehen werden. Aus dem Bundesgerichtsurteil geht klar hervor, dass bei Stealthing-Fällen eine Gesetzeslücke besteht.
Deshalb müssen die Gerichte in Basel-Landschaft und Zürich einzig noch prüfen, ob sich die Männer womöglich der sexuellen Belästigung schuldig gemacht haben. Auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung oder wegen Verbreitens menschlicher Krankheiten hält das Bundesgericht grundsätzlich für möglich.
Das wird aber weniger schwer bestraft und dürfte ein schwacher Trost für die Opfer sein.