Sie helfen am Grümpelturnier, wenn sich jemand den Knöchel verstaucht. Sie leisten am Volkslauf Erste Hilfe nach einem Bienenstich, sie geben Nothelfer-Kurse. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer der Samaritervereine. Doch die Schweizer Tradition scheint gefährdet.
Erst kürzlich haben sich die Samaritervereine Murgenthal (AG) und Obergösgen (SO) aufgelöst. Auch jener in Oberdorf (SO) wurde nach über hundert Jahren 2020 aufgelöst, der Samariterverein Engstringen (ZH) hat sich 2018 aufgelöst, jener in Schattdorf (LU) kämpft um seine Existenz. Beispiele gibt es zuhauf – was ist los?
Die Fahrschulen werben für die Absolvierung der Nothelfer-Kurse mit gratis Fahrstunden.
Ein Problem ist der fehlende Nachwuchs. Musste man früher den für die Autoprüfung erforderten Nothelfer-Kurs bei einem Samariterverein absolvieren, kann man diesen Kurs unterdessen auch bei Fahrschulen absolvieren. «Die Fahrlehrer werben für die Nothelferkurse mit gratis Fahrstunden. Wenn man so hundert Franken sparen kann, macht man das auch. So haben wir immer mehr Leute in den eigenen Kursen verloren», erzählt Manuela Siegenthaler, Präsidentin des Samaritervereins Murgenthal.
Die Konkurrenz sorge für weniger Kontakt mit jungen Menschen. Der Nachwuchs bleibt aus, die Einnahmen durch die Kurse auch. Den Menschen helfen, das sei eine Herzensaufgabe, findet Manuela Siegenthaler. Das älteste Mitglied ihres Vereins war 68 Jahre lang mit dabei. Heute wollten nicht mehr alle die Verantwortung übernehmen und helfen, glaubt Siegenthaler. Was ist zu tun? «Wenn ich das wüsste, hätte ich meinen Verein vor der Auflösung bewahrt. Ich weiss es nicht», sagt sie ratlos.
In den vergangenen 20 Jahren sind alleine im Aargau 45 Samaritervereine verschwunden. «Es steht mit den Vereinen in der Region nicht gut. Ein paar wenige sind noch gut aufgestellt, aber das kann sich schlagartig ändern», sagt Ursula Eichenberger, Geschäftsstellenleiterin des Aargauer Kantonalverbandes. Mitschuld an der Misere sei auch der Kanton: «Man hört uns zu wenig zu». Feuerwehren würden pro Jahr über 20 Millionen Franken an Kantonsgeldern erhalten, die Samaritervereine nur ein paar tausend.
Der Kanton hört uns Vereinen zu wenig zu.
Konkurrenz, Nachwuchsprobleme, fehlende Wertschätzung, hinzu kommen verbandsinterne Probleme. Einige Samaritervereine sind aus dem Verband ausgetreten. Sie waren mit der eigenen Führung unzufrieden. Der Samariterverein Lägeren-Wettingen (AG) ist nicht mehr im Verband, er heisst neu Sanität Wettingen-Limmattal. In Balstahl (SO) ist dasselbe passiert.
Kritik aus den eigenen Reihen
Der Schweizer Dachverband, der Samariterbund, verlange zu viele Abgaben, kritisiert zum Beispiel Manuela Siegenthaler vom Samariterverein Murgenthal. Zudem sei das Material, das man über den Verband beziehe, teurer, als wenn man es anderswo bestelle. Weiter änderten die Vorgaben für die Ausbildungen ständig.
Der Schweizer Dachverband kontert die Kritik. Man bekenne sich klar zur Freiwilligkeit und dem Samariterwesen. Es sei aber ein Professionalisierungsschub im Gange, schreibt er auf Anfrage. Es brauche schweizweite Normen, damit Laien-Samariter mit Profi-Rettungskräften zusammenarbeiten könnten. Zum Vorwurf des teuren Materials sagt der Verband, die Preise im Online-Shop seien «marktüblich».
Klar ist: Die Probleme der Samaritervereine haben weitreichende Folgen. Sie treffen auch Sportvereine, welche die Helfer meist zu günstigen Konditionen für ihre Veranstaltungen buchen können. Wenn diese neu Profis für das Grümpelturnier oder den Stadtlauf engagieren müssen, kostet das entsprechend mehr.