In Kalifornien beispielsweise werde derzeit das Abwasser bereits nach Affenpockenviren untersucht, sagt Tim Julian, Forschungsleiter beim Wasserforschungsinstitut Eawag der ETH. Das Vereinigte Königreich überwache zudem das Poliovirus und Israel das Enterovirus, das bei Kindern zu Atemwegserkrankungen mit schwerer Atemnot führt.
Im Abwasser stecke ein grosser Reichtum an Informationen, betont Julian. Stellt sich die Frage, wie die Schweiz künftig mit diesem Reichtum umgehen will. Nach Einschätzung von Julian läuft das Abwasser-Monitoring für das Coronavirus ziemlich gut. Über 100 Kläranlagen sind mittlerweile beteiligt.
Im Abwasser steckt ein grosser Reichtum an Informationen.
Zusammen mit Kollegen arbeitet er zurzeit an einem drei Millionen Franken teuren Nationalfondsprojekt, in welchem das Potenzial für andere Viren getestet wird. Dabei gilt es herauszufinden, ob die Kosten für die Überwachung anderer Viren gerechtfertigt sind. Julian sieht einen klaren Nutzen, wenn anhand des Abwassers der Anstieg der Corona-Erkrankungen vorhersehbar wird und Gegenmassnahmen eingeleitet werden können.
Mit Blick aufs Ausland ist er überzeugt, dass auch die Suche nach anderen Krankheitserregern im Abwasser sinnvoll ist. Entsprechend freut ihn, dass Kantone wie Basel, Zürich oder Graubünden das auch so sehen und in Projekte zur Erforschung des Abwassers investieren.
Kosten-Nutzen-Rechnung und Datenschutz
Auf der Basis der Infrastruktur, die durch die Corona-Krise in der Schweiz aufgebaut worden ist, könne man verhältnismässig einfach nach neuen Virenarten suchen, sagt Julian. Nun gelte es, die zuständigen Stellen und letztlich auch die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass unser Abwasser stärker auf Krankheitserreger untersucht wird.
Zentral für diese Überzeugungsarbeit sei das Thema Datenschutz. Dieser müsse unbedingt gewährleistet werden: «Wir überwachen das Abwasser grossflächig, unsere Proben geben Aufschluss über den Gesundheitszustand von 30’000 Menschen, da ist der einzelne nicht identifizierbar», erklärt Julian Gesucht werde auch nicht nach seltenen Krankheiten, die den einzelnen identifizierbar machen könnten. Die internationale Forschungsgemeinschaft sei daran, ethische Leitlinien zu erarbeiten.
Unsere Proben geben Aufschluss über den Gesundheitszustand von 30’000 Menschen. Das ist der einzelne nicht identifizierbar.
Auch wenn es einige offene Fragen gibt – die Corona-Krise hat dem Abwasser als potenzielles Frühwarnsystem für das öffentliche Gesundheitswesen Schub verliehen. Auch in der Schweiz.
So heisst es auf Anfrage vom Bundesamt für Gesundheit BAG, dass der Bund es begrüsst, dass das System der Überwachung im Abwasser allenfalls auch auf andere Infektionskrankheiten erweitert wird. So kläre man, ob auch Affenpocken in das Monitoring aufgenommen werden könnten.