Was Schweizer Kläranlagen an klimaschädlichen Gasen produzieren, de facto Lachgas, ist keine «Quantité négligeable».
Im Gegenteil: Allein das Lachgas aus den Klärbecken der Abwasserreinigungsanlage (ARA) entspricht gut einem Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen der Schweiz, wie kürzlich eine Studie des Schweizer Wasserforschungsinstituts EAWAG zeigte.
Strengere Vorgaben in der EU
Doch auch mit dem Lachgas verursachenden Stickstoff haben die Kläranlagen der Schweiz ein Problem – ein grösseres als die Länder der EU.
In der EU müssen Kläranlagen nämlich laut einem Bericht der europäischen Umweltagentur EEA mindestens 75 Prozent ihres Stickstoffs eliminieren – eine Vorgabe, die Länder wie Österreich oder Deutschland erreichen.
In der Schweiz jedoch eliminieren die 700 bis 800 ARA deutlich weniger. Gemäss Angaben des BAFU gerade mal 47 Prozent. Der Rest fliesst in Bäche und Seen.
Stickstoff belastet Gewässer
Jährlich werden aus den ARA 18'300 Tonnen Stickstoff in Form von Nitrat in die Gewässer eingetragen. Das ist weniger als die 32'000 Tonnen Nitrat, die aus überdüngten landwirtschaftlichen Böden in Gewässer fliessen. Genug aber, um für Fischsterben und Algenblüten zu sorgen oder in manchen Gebieten das Grundwasser zu belasten. Und: Grosse Mengen Stickstoff in den Klärbecken führen zu hohem Lachgas-Ausstoss.
ARA auch politisch unter Druck
«Die Kläranlagenbetreiber und verantwortlichen Behörden müssen sich überlegen, wie sie die Probleme rasch in Griff bekommen», sagt Adriano Joss vom Wasserforschungsinstitut EAWAG.
Es gibt auch politischen Druck: National- und Ständerat haben eine Motion angenommen, welche die ARA verpflichtet, ihre Stickstoffeinträge deutlich zu reduzieren. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) arbeitet zurzeit daran, die Gewässerschutzverordnung entsprechend anzupassen.
Doch wie lässt sich die Umwelt- und Klimabelastung durch Lachgas und Stickstoff aus den ARA senken? Entscheidend sei bei den Kläranlagen «der Ausbaustandard der biologischen Reinigungsstufe», heisst es beim BAFU.
Konkret sollen die Bakterien in den Kläranlagen eine «möglichst weitreichende» Stickstoffelimination gewährleisten. «Manche Anlagen müssen daher künftig grösser gebaut werden.» Mit einem solchen Ausbau liessen sich die heutigen Lachgasemissionen etwa halbieren, schätzen die Experten.
Weniger Lachgas dank «Kügelchen-Bakterien»?
Mit einem neuen Verfahren sollen die Lachgasemissionen der ARA sogar nahezu auf null sinken. Unter anderem wird das an der EAWAG von Nicolas Derlon erforscht.
In der Kläranlage werden Bakterien verwendet, die zu kleinen Kügelchen verklumpen. Solche Granula-Bakterien arbeiten effizienter als die heutigen flockenförmigen. Sie sollten mehr Stickstoff eliminieren können.
In einer Anlage in den Niederlanden konnten die tiefen Lachgas-Emissionen bestätigt werden. Noch ist das Verfahren aber in Entwicklung. Auch in der Schweiz, wo heute drei Pilotanlagen stehen, muss es sich noch bewähren.
Umsetzung dauert Jahre
Sicher ist: Von heute auf morgen wird sich das Lachgas aus Klärbecken nicht in Luft auflösen. Zur Halbierung der Lachgasemissionen und für einen effizienteren Stickstoffabbau in den ARA, dürfte es wohl etwa zehn Jahre dauern.
Kläranlagen sind gross und langlebig. «Realistisch ist ein Aus- oder Umbau einer Anlage nach einer Lebenszeit von 20 Jahren», sagt Eberhard Morgenroth von der EAWAG und ETH Zürich.
Ein früherer Abriss sei bei einer ökologischen Gesamtbetrachtung, inklusive der grauen Energie im Baumaterial, wenig sinnvoll.
Natürlich könnte man mit Blick auf den Klimawandel einen rascheren Abbau von Lachgas vorantreiben. Doch Kläranlagen kosten viel Geld – Geld, welches Behörden sprechen. Wie schnell es vorwärtsgeht mit saubereren ARA, ist daher letztlich ein politischer Entscheid.