Am Mittwoch ist im Bundeshaus eine weitere Bundesratssitzung ohne Positionierung zum EU-Rahmenabkommen zu Ende gegangen. «Es fehlt die strategische Führungsarbeit», kritisiert Politikwissenschaftler Claude Longchamp.
Es fehlt die strategische Führungsarbeit.
Er wirft der Landesregierung in der Europapolitik Konzeptlosigkeit und Führungsschwäche vor: «Wir haben einen Bundespräsidenten, der jedes Jahr wechselt. Wir haben drei Departemente, die an diesem Dossier beteiligt sind. Das ruft nach stärkerer Führung innerhalb des Bundesrats.»
Fehlende Positionierung und Zick-Zack-Kurs
Nach jahrelangen Verhandlungen sagt der Bundesrat nach wie vor weder Ja noch Nein zum Rahmenabkommen. Die sieben Bundesräte sind sich nicht einig. Offen ist, was die Regierung in Sachen Rahmenabkommen genau will.
Genauso zögerlich agierte der Bundesrat beim UNO-Migrationspakt. Im September 2018 erklärte Bundesratssprecher André Simonazzi, die Regierung befürworte den Pakt. Zwei Monate später lehnte der Gesamtbundesrat die Unterzeichnung ab und übergab das Dossier zu weiteren Konsultationen ans Parlament. Einen Zickzack-Kurs fuhr die Regierung auch beim UNO-Atomwaffenverbotsvertrag. 2017 stimmte der Bundesrat mit Vorbehalt zu, lehnte dann aber ein Jahr später die Unterzeichnung überraschend ab.
Neue Bundesrätinnen – neue Führungsstärke?
Nichtpositionierung und Meinungsänderungen führen auch aussenpolitisch zu Irritationen. Für die Verhandlungspartner in Brüssel, aber auch für andere europäische Regierungen ist es dadurch zunehmend schwierig, abzuschätzen, was die Schweizer Regierung eigentlich will.
Mit Viola Amherd und Karin Keller-Sutter sitzen zwei Neue im Bundesrat. Gegenüber SRF plädiert Keller-Sutter für mehr Einigkeit und Geschlossenheit: «Der Bundesrat wurde in der Europapolitik gerade auch von mir jeweils kritisiert, weil es verschiedene Positionen gab. Und ich denke, es ist die Stärke eines solchen Gremiums, wenn es geeint auftreten kann. Wenn ich dazu einen Beitrag leisten kann, ist das sicher sehr gut.»
Idee einer vierjährigen Bundespräsidentschaft
Longchamp sieht die momentane Führungsschwäche auch als ein Problem des Systems. Die einjährige Bundespräsidentschaft müsse ersetzt werden. Dafür bringt der Politologe die Idee eines Präsidialdepartements ein. Ein Mitglied des Bundesrats würde dieses Departement vier Jahre lang führen und übernähme dabei zugleich für vier Jahre die Präsidentschaft. «Das würde die Glaubwürdigkeit der Schweiz im Ausland stärken», ist er überzeugt.
«Vor allem hätten wir eine Art Führung des Bundesrats, die übereinstimmen würde mit jenen anderer europäischer Länder, wo Minister- oder Bundespräsidentinnen und -präsidenten für vier oder fünf Jahre gewählt sind.» Die Führungsfrage stand heute nicht auf der Traktandenliste des Bundesrats. Noch nicht.