Am 11. Dezember wurde der Gotthard-Basistunnel in Betrieb genommen. Heute zog die SBB Bilanz. Der Betrieb im Tunnel verläuft sicher und zuverlässig.
Die SBB will ihren Kritikern aber entgegenkommen: Sie plant mehr Züge von Basel via Luzern ins Tessin, Direktzüge nach Locarno und Göschenen soll es wieder geben. Doch eigentlich wurde der Basistunnel für den Güterverkehr gebaut. So ist die Bilanz hier besonders spannend. Philippe Gauderon leitet die Infrastrukturabteilung bei der SBB. Die Anlagen im Basis-Tunnel laufen stabil, sagt er. «Über 17'000 Züge fuhren durch diesen Tunnel. Grossmehrheitlich pünktlich. Das ist eine tolle Leistung, die wir auch mal würdigen müssen.»
Aber noch tasten sich Gauderons Leute an Höchstgeschwindigkeiten und maximale Zuglängen und Kapazitäten im Tunnel heran. «Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das, was wir versprochen haben, rechtzeitig zur Verfügung stehen wird.» Immer wieder sind es Details, die den Verkehr behindern.
SBB Cargo noch in der Lernkurve
Vereinzelte Güterzug-Lokomotiven haben Schwierigkeiten mit der Zugsicherungstechnik im Tunnel. Die Staubkonzentration ist zuweilen so stark, dass Brandmelder Alarm auslösen. Die Basisfahrzeuge für den Tunnelunterhalt sind noch nicht geliefert. «Man muss viel mehr im Voraus planen», so Gauderon.
«Sie können nicht einfach einrücken und merken, Sie haben die Bohrmaschine vergessen. Dann ist die Schicht futsch.» Man müsse systematischer planen, um den Unterhalt zu machen. «Aber es lohnt sich, die Lernkurve ist da. Wir verbessern uns sukzessive, so dass wir Ende 2018 soweit sind.»
Michail Stahlhut leitet SBB Cargo International. Die Anschlussbauwerke in Deutschland oder Italien seien noch nicht bereit, auch der Ceneri-Basistunnel nicht. Dennoch mache der Trend Hoffnung: «Wir erleben jetzt schon, dass wir auf den angestammten Strecken eine deutliche Leistungsmengenausweitung haben. Wir erwarten einen deutlichen Schritt nach vorne beim Ausbau des Korridors.»
10'000 Stunden Verspätung angehäuft
Stahlhut rechnet damit, dass 400'000 Lastwagensendungen auf die Schiene verlagert werden könnten. Wenn die Qualität stimme. Doch auf der gesamten Strecke von Rotterdam nach Genua sind Verspätungen Alltag. Und die sind Gift für die Verlagerung. «Wir haben im letzten Jahr um die 10'000 Verspätungsstunden entlang einer Linie von Rotterdam nach Mailand produziert. Das ist eine Verschwendung von Ressourcen.»
Zu diesen Sorgen kommt die Luinostrecke. Sie wird hauptsächlich von Güterzügen genutzt auf dem Weg von Bellinzona nach Novara. Diese Strecke wird ab Juni für ein halbes Jahr gesperrt. Sie wird ausgebaut für Züge mit 4 Meter Eckhöhe.
Die Konkurrenz von der Strasse wird diese schwierige Zeit nutzen wollen. «Wir strengen uns sehr an und kämpfen dafür, dass Eisenbahn sexy bleibt, auch in diesem Jahr mit der Luino-Sperre. Und werden versuchen, so wenig wie möglich an einen Wettbewerber abzugeben.»
Zahlreiche Baustellen säumen die Bahnstrecke von Bellinzona bis Chiasso. Auch auf italienischem Boden wird gebaut. Es wird gearbeitet an der Luinostrecke, an der Linie von Chiasso nach Mailand und in Domodossola am Simplon. Überall können künftig Züge mit standarmässig 750 Metern Länge und 4 Metern Höhe fahren.
Güterbahn-Relaunch in Italien im Gang
Gianpiero Strisciuglio leitet den Netzbetrieb bei der italienischen Staatsbahn RFI. Die Güterbahnstrecken aus Nordeuropa endeten nicht in Norditalien, sagt er, es würden Güterbahnkorridore nach Süditalien gebaut. So reiche der Markt der Schweizer Alpentunnels nicht nur nach Genua, sondern in alle grossen Mittelmeerhäfen und bis Süditalien. Jahrzehntelang wurde der Bahngüterverkehr in Italien vernachlässigt. Jetzt ist ein eigentlicher Güterbahn-Relaunch im Gang.
Gauderon teilt die Aufbruchstimmung, die Strisciuglio verbreitet. Doch die Ausbauten auf der Strecke Karlsruhe-Basel lassen auf sich warten. Engpässe drohen. So beginnt die Gotthardbilanz heute mit Kinderkrankheiten und Lernkurven im Basistunnel, und endet mit Anschlüssen in Karlsruhe und Rom.