Wer in der Schweiz am Abend unterwegs ist, sieht momentan weniger beleuchtete Gebäude und Strassen als sonst. Auch auf die Weihnachtsbeleuchtung wird dieses Jahr vielerorts verzichtet. Doch nicht alle Gemeinden, Städte und Kantone gehen gleich weit mit ihren Massnahmen gegen eine drohende Strommangellage. Eine Übersicht in der Deutschschweiz – mit einer Einschätzung zum Schluss:
Aargau: Die Heiztemperatur in Gebäuden der Kantonsverwaltung wird um 3 Grad reduziert, die Beleuchtung der historischen Aargauer Schlösser wie Wildegg oder Habsburg wurde seit Mitte September abgestellt.
Appenzell Ausserrhoden: Der kantonale Führungsstab und die zwanzig Gemeindeführungsstäbe haben ihr Vorgehen abgesprochen – sie fokussieren sich auf einfach umsetzbare Massnahmen wie eine Höchsttemperatur von 20 Grad in den Verwaltungsgebäuden oder die Reduktion von Licht in den Korridoren und Büros. Zudem sollen Aufzüge weniger häufig genutzt werden.
Appenzell Innerrhoden: Der Kanton heizt die Verwaltungsgebäude auf maximal 20 Grad, sie werden weniger von aussen beleuchtet und auf eine Weihnachtsbeleuchtung wird verzichtet. Leuchtreklamen oder Schaufensterbeleuchtungen im Kanton müssen von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr abgeschaltet werden.
Basel-Land: Um Strom und Gas zu sparen, heizt die Baselbieter Regierung die Gebäude der kantonalen Verwaltung nur noch auf 19 Grad. Ausserdem wird das Warmwasser abgeschaltet. Wo es in kantonalen Verwaltungsgebäuden und Schulen möglich ist, wird das Licht abgestellt.
Basel-Stadt: In sämtlichen Kantonsgebäuden darf nicht mehr als 19 Grad geheizt werden, hat der Regierungsrat entschieden. Beim Historischen Museum löste diese Ankündigung offenbar wenig Begeisterung aus: Vor lauter Angst, dass die Angestellten frieren, hat die Museumsleitung wärmere Arbeitskleider bestellt.
Bern: Die Räume der Kantonsverwaltung werden auf maximal 20 Grad geheizt. 17 Grad ist das Maximum in kantonalen Mehrzweckhallen. In leerstehenden Gebäuden wird es höchstens 13 Grad warm, in Lager und Garagen 7 Grad. Das Warmwasser wird abgestellt und auf Weihnachtsbeleuchtung wird verzichtet.
Freiburg: Der Kanton stellt für 700'000 Franken acht zusätzliche Mitarbeitende befristet an, die sich mit der drohenden Energiemangellage befassen und die Bevölkerung mit Kampagnen sensibilisieren. Zudem wird bei der Kantonsverwaltung Energie gespart. Die Temperatur in den Büros der Kantonsverwaltung sinkt auf 19 Grad, Warmwasser wird abgestellt, die Gebäudebeleuchtung reduziert und der Lift darf nicht mehr benutzt werden. Auf den Strassen im Kanton Freiburg sollen zwischen 23:30 Uhr und 05:30 Uhr die Lampen dunkel bleiben – ausser bei den Fussgängerstreifen.
Glarus: Die Kantonsregierung hat einen Teilstab Energiemangellage eingesetzt, der Vorbereitungen für eine Mangellage trifft.
Graubünden: Die Regierung will den Energieverbrauch der kantonalen Verwaltung um mindestens 15 Prozent senken. Dazu wird die Raumtemperatur auf 20 Grad gesenkt und die Beleuchtung gedimmt. Lifte sollen nur noch eingeschränkt genutzt werden. Zudem werden Dienstfahrten begrenzt und physische Sitzungen nach Möglichkeit durch Online-Sitzungen ersetzt. Angestellte sollen wenn möglich im Homeoffice arbeiten, damit sie weniger pendeln müssen. In einer zweiten Phase sollen Öffnungszeiten der Büroräume eingeschränkt werden und in einer dritten Phase würden Arbeitsplätze zusammengeführt und verdichtet. So könnten gewisse Gebäude ausser Betrieb genommen werden.
Luzern: Der Kanton begrenzt die Raumtemperatur in allen Schulzimmern und Büros der Verwaltung auf 20 Grad, selten genutzte Räume werden auf höchstens 13 Grad geheizt. Aus den Wasserhähnen fliesst kein warmes Wasser mehr, die Leistung der Lüftungsanlagen wird reduziert, ebenso die Beleuchtung von Räumen. Private Kühlschränke, Kaffeemaschinen oder Drucker sind verboten.
Nidwalden: Der Kanton Nidwalden unterstützt die Sparanstrengungen und wird in seinen Gebäuden und Zuständigkeitsbereichen geeignete Massnahmen umsetzen. Zurzeit werden diese zusammengetragen, auf ihren Wirkungsgrad beurteilt und priorisiert.
Obwalden: Der Kanton prüft aktuell, welche Massnahmen am wirkungsvollsten sind, um den Energieverbrauch innerhalb der Verwaltung und seinen Zuständigkeitsbereichen zu reduzieren. Die gewohnten Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger sollen dadurch nicht eingeschränkt werden.
Schaffhausen: Der Kanton und die Stadt Schaffhausen heizen die Räume der Verwaltung nur noch auf 19 Grad. Der Rheinfall wird nicht mehr beleuchtet. Die Stadt Schaffhausen verzichtet ausserdem auf die Beleuchtung ihres Wahrzeichens, den Munot. Die Strassenbeleuchtung auf Stadtgebiet und die Weihnachtsbeleuchtung wird früher ausgeschaltet. Das Hallenbad und die Eisbahn werden weniger geheizt, respektive weniger gekühlt.
Schwyz: Der Kanton bereitet sich im Rahmen der gebotenen Versorgungssicherheit auf eine mögliche Energiemangellage vor. Der Regierungsrat hat zu diesem Zweck einen Sonderstab «Energiemangellage» eingesetzt.
Solothurn: Der Sonderstab Energie will, dass Verwaltungsgebäude auf maximal 20 Grad geheizt werden. Bei öffentlichen und historischen Gebäuden soll Schluss sein mit der Aussenbeleuchtung. Sofern es die Sicherheit ermögliche, solle die Beleuchtung im öffentlichen Raum und auf den Strassen reduziert werden, so der Stab. Er empfiehlt, auf Weihnachtsbeleuchtung zu verzichten. Ob dies umgesetzt wird, entscheiden Kantonsverwaltung und Gemeinden selbst.
St. Gallen: Der Kanton, die Gemeinden und die Wirtschaft haben ein gemeinsames Vorgehen beschlossen und beschränken die Raumtemperatur auf maximal 20 Grad, stellen wenn möglich die Aussenbeleuchtung ab. Sie verzichten auf Weihnachtsbeleuchtung – allerdings nur in Innenräumen. Leuchtreklamen und Schaufenster werden von 22 Uhr bis 6 Uhr ausgeschaltet. Zudem wird auf energiesparende Leuchten oder Bewegungsmelder umgerüstet.
Thurgau: Der Kanton will den Verbrauch von Gas und Strom um jeweils 15 Prozent reduzieren. Die Raumtemperatur wird in sämtlichen Räumlichkeiten um drei Grad reduziert, in der Nacht und am Wochenende noch weiter. Es kommen weniger Drucker und Lifte zum Einsatz, die Beleuchtung von Aussengebäuden oder in Gängen wird reduziert.
Uri: Ein Sonderstab übernimmt im Kanton die Planung, die Führung und die Koordination der Massnahmen. Dazu gehört beispielsweise die Betriebsoptimierung in den Gebäuden. Man überprüfe die Einstellungen und Verbrauchswerte, heisst es auf Anfrage.
Wallis: Der Kanton hat sich nicht zu möglichen Massnahmen geäussert.
Zug: Der Kanton hat sich nicht zu möglichen Massnahmen geäussert.
Zürich: Energiedirektor Martin Neukom kündigte an, den Energieverbrauch um 10 Prozent senken zu wollen. Erreichen will Neukom das Ziel, indem beispielsweise kantonale Gebäude nicht über 20 Grad geheizt werden. Zudem soll auch mit Kippschaltern der Standby-Verbrauch deutlich gesenkt werden. Der Kanton wolle mit gutem Beispiel vorangehen, sagte Neukom weiter, auch wenn er nur für 0.6 Prozent des kantonalen Stromverbrauchs verantwortlich sei.
Der Kanton bereitet sich zudem auf einschneidendere Massnahmen vor. Im Extremfall drohe eine kontrollierte Abschaltung der Stromversorgung für ein paar Stunden in gewissen Gebieten, sagte Daniel Bucher von den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich EKZ. «Die Pläne dafür liegen grundsätzlich bereit.» Bevor es so weit komme, werde der Bund aber in Zusammenarbeit mit den Kantonen weniger einschneidende Massnahmen vornehmen.
Die Einschätzung des Klimaexperten
Liest man die verschiedenen Massnahmen der Kantone, fällt auf: Fast alle machen dasselbe. Klaus Ammann, Klima- und Energieexperte bei SRF schätzt die Massnahmen jedoch als recht mutig ein: «Noch vor einem Jahr hätten kantonale Energiedirektoren und -direktorinnen mit solchen Empfehlungen wohl ihre Wiederwahl gefährdet, obschon der Klimaschutz diese schon damals gerechtfertigt hätte.» Insbesondere was den Stromverbrauch in den Büros angeht, seien weitergehende Empfehlungen denkbar, so Ammann: «Ob sie in der aktuellen Situation – die Mangellage ist ja noch nicht real – befolgt würden, ist aber fraglich.»
Falls Strom und Gas tatsächlich knapp werden sollten, wären weitere Sparanstrengungen nötig.
Bleibt die Frage, was die angedachten Massnahmen bringen? «Die Reduktion der Innentemperaturen hat bestimmt einen beachtlichen Effekt», sagt SRF-Energieexperte Klauss Ammann. Die Sparwirkung hänge natürlich davon ab, wie effizient bisher geheizt oder beleuchtet wurde. Aber: «Einige Kantone geben konkrete Sparziele an – von 10 bis 15 Prozent ist die Rede – und das scheint mir fürs Erste vertretbar.»
Der Energieverbrauch der Kantone sei in der Regel vergleichsweise klein. «Die Kantone spielen gerade aktuell aber natürlich eine Vorbildrolle.» Sollte Strom oder Gas jedoch tatsächlich knapp werden, wären weitere Sparanstrengungen nötig.
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