Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Tagesstätten gehören zum engen Bezugsfeld eines Kindes. Sie bemerken, wenn es einem Kind schlecht geht, und greifen ein, wenn es sein muss.
Das sei auch vor der Meldepflicht so gewesen, sagt Estelle Thomet vom Dachverband Kinderbetreuung Schweiz. «Die moralische Pflicht einzustehen, wenn man das Gefühl hat, dass ein Kind in Not ist, hatte man schon vorher. Mit der neuen Meldepflicht gibt es jetzt quasi noch die juristische Legitimation.» Durch die juristische Pflicht habe man jetzt eine stärkere Legitimation einzugreifen.
Die moralische Pflicht einzustehen, wenn man das Gefühl hat, dass ein Kind in Not ist, hatte man schon vorher.
Es gebe aber auch Unsicherheiten. Nicht jedes Kind, das an einem regnerischen Tag Finken statt Gummistiefel trägt, sei gefährdet. «Genau diese Abwägung zu machen, ist sehr schwierig», gibt Thomet zu bedenken. Das sei «auch eine grosse Herausforderung für die Fachpersonen in den Kindertagesstätten».
Ab wann liegt eine Gefährdung vor?
Einzuschätzen, ob eine Gefährdung vorhanden ist oder nicht, ist anspruchsvoll und erfordert Fachwissen. Gerade im Kita-Bereich gibt es viele Praktikantinnen und Praktikanten. Deshalb empfiehlt der Dachverband Kibesuisse, dass Meldungen immer im Team besprochen und von einer Leitungsperson eingereicht werden.
Ebenfalls viel zu diskutieren gebe die Frage, wann der geeignete Zeitpunkt für eine Kesb-Meldung sei. Denn das neue Gesetz schreibt vor, dass die Kesb nur dann angegangen wird, wenn man selber keine Lösung finden kann. Die «grosse Frage» sei, wie lange man versuchen soll, zusammen mit den Eltern an einer Lösung zu arbeiten, sagt Estelle Thomet.
Unterstützungsangebote seien hierbei hilfreich. «Im Kanton Zürich zum Beispiel gibt es die Möglichkeit, bei einem interdisziplinären Team anonym Fallbesprechungen zu machen – und das wird sehr geschätzt.»
Kein Anstieg bei den Meldungen
Einen Anstieg von Gefährdungsmeldungen aus Kitas aufgrund der neuen Regelung hat es im vergangenen Jahr nicht gegeben. Das zeigt die Nachfrage bei einzelnen kantonalen Kesb-Stellen. Die neue Meldepflicht habe jedoch zur Sensibilisierung beigetragen und dafür gesorgt, dass interne Abläufe und Zuständigkeiten besser geklärt würden.