Der Gletscherschwund macht Wanderwege gefährlicher. Der SAC muss mit speziellen Sicherungen, Leitern und Brücken die Alpinwanderwege und die Zustiege zu den SAC-Hütten kontinuierlich anpassen, sagt der Geologe Hans-Rudolf Keusen im Interview.
SRF News: Herr Keusen, in welchem Tempo verändern sich die Gletscher zurzeit?
Hans-Rudolf Keusen: Seit der letzten Kleinen Eiszeit schmelzen die Gletscher, seit 1980 tun sie das in beschleunigtem Tempo. Je nach Höhenlage verlieren die Gletscher durchschnittlich ein bis zwei Meter an Dicke pro Jahr. Die Zunge des Oberaargletschers zieht sich seit 1870 um etwa 15 bis 20 Meter pro Jahr zurück. Er hat seither über zwei Kilometer an Länge eingebüsst.
Wie verändern sich dadurch die alpinen Gebiete in Gletschernähe?
Schmilzt das Eis, bleiben grosse und unwegsame Schutt- und Blockhalden zurück. Die Gebiete sind je nach Steilheit instabil und stark von Stein- und Blockschlag betroffen.
Was heisst das für die Wanderer und Alpinisten in der Schweiz?
Steile ausgeaperte Gebiete sind schwieriger begehbar und wegen ihrer Instabiltät gefährlich. Insbesondere in den Nahtstellen zwischen dem zurückweichenden Gletscher und der Moräne respektive dem Fels entstehen gefährliche und oft schwer passierbare Rinnen und Schluchten.
Wie sieht die Zukunft der Wanderwege und die der Zugangswege zu den SAC-Hütten aus?
Die Zustiege von etwa einem Fünftel der SAC-Hütten verlaufen teilweise über Gletscher. Diese blau-weissen Zustiege, also die Alpinwanderwege, werden anspruchsvoller und heikler. Wege müssen immer wieder an die veränderten Verhältnisse angepasst werden. Spezielle Sicherungen, Leitern und Brücken können notwendig werden.
Was heisst das kostentechnisch? Welche Herausforderungen kommen auf den SAC zu?
Die Wanderwege sind den Kantonen unterstellt, die Kantone sind also grundsätzlich dafür zuständig, dass sie begehbar sind. Der SAC unterstützt diese Aufgabe und wendet pro Jahr mehrere Hunderttausend Franken für die Anpassung der Zustiege zu seinen Hütten auf, Tendenz zunehmend. Bei Alpinwanderwegen über Gletscher kann der SAC meist nicht mit einer Unterstützung der Kantone rechnen.
Wie will der SAC dagegen vorgehen?
Der SAC kann den Klimawandel und den damit verbundenen Gletscherschwund nicht aufhalten, auch nicht durch eine Unterstützung der Gletscherinitiative. Er muss im Hochgebirge rasch mit geeigneten Massnahmen reagieren, um die Hüttenzustiege aufrecht zu erhalten. Der SAC wird diese Massnahmen in seinem eigenen Interesse mitfinanzieren. Die Hütten können nur erhalten bleiben, wenn sie einen funktionierenden Zustieg haben.
Das Gespräch führte Alexandros Koulouris.