Eine junge Frau aus dem Kanton Freiburg hatte nach ihrer ersten Corona-Impfdosis Anfang November Lähmungserscheinungen. Sie rief die Covid-Hotline des Kantons Freiburg an, welche sie zum Arzt schickte – zum Notfallarzt, weil ihr Hausarzt nicht da war. So kam die Frau zur Hausärztin S.C. im Sensebezirk, welche ihr direkt Vorwürfe machte: «Sie fragte mich, wieso ich diese Impfung gemacht habe», erzählt die Patientin, die anonym bleiben möchte. «Sie sagte mir, ich solle die zweite Impfung auf keinen Fall machen. Ich könne froh sein, dass ich nicht im Rollstuhl oder tot sei.»
Die Ärztin sagte mir, ich könne froh sein, dass ich wegen der Impfung nicht im Rollstuhl oder tot sei.
Sie habe wegen der Nebenwirkungen bereits Angst gehabt und war nach diesen Aussagen verzweifelt: «Ich weinte und hatte Angst, dass dies langfristige Folgen haben kann.»
Ärztin gab ihr das Bleichmittel Chlordioxid
Die Ärztin habe sie gefragt, ob sie offen für andere Methoden sei und gab ihr ein Fläschchen, eingepackt in Papier: «Sie zeigte es mir nicht richtig und sagte, ich solle es noch nicht auspacken, es dürfe nicht an der Sonne sein.» Die Patientin ging nach Hause und nahm das Mittel ein, ohne es genauer anzuschauen. Erst danach habe sie gemerkt, dass es sich dabei um Chlordioxid handelt. Eine Substanz, die auf mehreren Internetseiten als Heilmittel gegen Covid angepriesen wird, in der Schweiz und in anderen Ländern aber nicht zugelassen ist. Eine Abgabe in der Praxis verstösst gegen das Heilmittelgesetz. Swissmedic warnt gar vor dieser Substanz.
SRF News weiss von einem weiteren Fall, bei dem die Hausärztin S.C. Chlordioxid einem Patienten mitgab. Dieser hatte es über Wochen eingenommen. S.C. wollte zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Ärztin war den Behörden bekannt
Wegen impfskeptischen Aussagen der Hausärztin gingen beim Kantonsarzt auch bereits Beschwerden ein. Der Freiburger Kantonsarzt Thomas Plattner habe sie darum schon verwarnt: «Aufgrund verschiedener Beschwerden wurden wir bereits aktiv. Vermutlich hat unsere Intervention nicht gereicht, weshalb wir weiter gehen müssen.»
Es sei völlig unangebracht, dass man Patienten, die bereits geimpft sind, Angst mache und vor schwereren Nebenwirkungen warne, wenn doch Swissmedic die Impfung als sicher erklärt habe, so Plattner. Zudem dürfe ein Arzt die Substanz Chlordioxid nicht abgeben: «Bei falscher Dosierung, kann es schädlich sein.»
Man muss sofort Massnahmen ergreifen, um die Patienten zu schützen.
Dass dieses Mittel in einer Arztpraxis abgegeben werde, schockiert Philippe Otten von der Vereinigung der Ärztinnen und Ärzte des Kantons Freiburg: «Das ist absolut inakzeptabel. Dieses Verhalten ist weder rechtlich noch ethisch akzeptierbar. Es ist sehr schlimm, was diese Ärztin gemacht hat.» Es müsste gehandelt werden, um die Patienten zu schützen, so Otten. Er bestätigt, dass die Ärztegesellschaft Massnahmen plane.
Auch Kantonsarzt Thomas Plattner sieht Handlungsbedarf, er habe eine Untersuchung eingeleitet. Neben der Abgabe des Chlordioxid stört er sich auch daran, dass die Ärztin aktiv von einer Impfung abrate «Patienten einer solchen Ärztin können sich nicht an die wirksamen Schutzmassnahmen halten und sind so der Gefahr einer Infektion ausgesetzt.»
Patientin ist mittlerweile zweimal geimpft
Was die betroffene Patientin angeht: Sie hatte seither keinen Kontakt mehr mit der Hausärztin und nahm das Mittel auch nicht mehr ein. Ihre Nebenwirkungen verschwanden nach rund drei Wochen, weshalb sie sich ein zweites Mal impfen liess – dieses Mal ohne Nebenwirkungen.