Die Meldungen von gefälschten – respektive unwahr ausgestellten – Zertifikaten in der Schweiz häufen sich. Meistens sind es Mitarbeitende von Impf- oder Testzentren, die den Zugang zum Zertifikatssystem missbrauchen. Die Kantone fühlen sich vom Bund im Stich gelassen. So hat etwa der Kanton Aargau kürzlich ein Schreiben an das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verfasst, das SRF vorliegt.
Es sei eine unhaltbare Situation, schreibt die Abteilung Gesundheit des Kantons Aargau an die Adresse des BAG, und sagt weiter: «Die momentane Handhabung der Zertifikatsberechtigung fördert den Missbrauch. Um die Glaubwürdigkeit der Covid-Zertifikate in der Bevölkerung sicherzustellen beziehungsweise aufrechtzuerhalten, ist sofortiges Handeln Ihrerseits unerlässlich.» Der Grossteil der anderen Kantone unterstützt die formulierten Anliegen.
Wir möchten nicht, dass alle Aussteller alle Typen von Zertifikaten erstellen können.
Konkret benötige es Einschränkungen bei den Berechtigungen. Mehrere Tausend Personen können auf die Zertifikat-Software zugreifen. Aktuell sei es möglich, dass Testzentren sogar Impfzertifikate ausstellen können, obwohl sie keine Impfungen anbieten. Das berge grosses Missbrauchspotenzial, sagt die Bündner Kantonsärztin Marina Jamnicki: «Wir möchten nicht, dass alle Aussteller alle Typen von Zertifikaten erstellen können.»
Keine Auswertungsmöglichkeiten
Weiter hätten die Kantone kaum Auswertungsmöglichkeiten. «Wir Kantonsverantwortlichen möchten einen direkten Einblick ins System. Wir möchten wissen, wer, wann, wie viele Zertifikate erstellt», sagt Jamnicki, die auch im Vorstand der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte sitzt. Dieser Überblick fehle den Kantonen komplett.
Auch der Kanton Aargau schreibt, Fälschungen und Betrügereien lassen sich höchstens zufällig entdecken: «Eine Nachforschung, ob hinter Einzelfällen womöglich ein systematisches betrügerisches Vorgehen liegt, ist den Kantonen mit den aktuellen IT-Strukturen nicht möglich.» Man sei letztlich auf konkrete Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen.
BAG will System anpassen
Das Zertifikatssystem sei so gebaut, dass eine grosse Zahl von Personen Zertifikate ausstellen kann, schreibt das BAG gegenüber SRF. «Dies führt dazu, dass es für die Kantone anspruchsvoll ist, die berechtigten Ausstellerinnen und Aussteller zu überprüfen», sagt das BAG. Diese Aufsicht hätten die Kantone aber auch sonst.
Aufgrund der verschiedenen Missbrauchsfälle reagiert nun das BAG und will das Zertifikatssystem anpassen. Eine Art Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes und der Kantone soll entstehen. Konkret will das BAG das Monitoring verbessern. Das heisst: Verdachtsfälle sollen standardisiert und regelmässig an die Kantone geliefert werden. Zudem soll das Rollen- und Berechtigungskonzept überarbeitet werden.
Zeitpunkt der Änderung unbestimmt
Auch wenn die Kantone schon vor Monaten auf die Schwachstellen hingewiesen haben, begrüsst Kantonsärztin Jamnicki die Reaktion des Bundesamtes. Es sei sinnvoll, dass die Kantonsverantwortlichen ihre Bedürfnisse in der Arbeitsgruppe einbringen können. Der Kanton Aargau bestätigt, sich an der intensivierten Zusammenarbeit beteiligen zu wollen.
Um die Glaubwürdigkeit der Covid-Zertifikate in der Bevölkerung sicherzustellen, ist sofortiges Handeln unerlässlich.
Das BAG kann jedoch noch nicht sagen, wann die Änderungen in Kraft treten. Derweil werden wohl weitere gefälschte Zertifikate in Umlauf kommen.