Es war eine Szene wie aus einem Polit-Thriller: Auf einem Rollfeld des Flughafens Zürich wurden am Samstag zwei Männer ausgetauscht. Ein Iraner, der Forscher Massud Soleimani, und ein US-Amerikaner, der Historiker Xiyue Wang, wurden Vertretern ihrer jeweiligen Länder übergeben. Unterstützt hatte diesen Austausch die Schweiz. Der langjährige Diplomat Tim Guldimann gibt Einblicke, wie der Coup gelingen konnte.
SRF News: Seit 1980 vertritt die Schweiz die Interessen der USA im Iran. Warum vertrauen die Amerikaner und die Iraner den Schweizern?
Tim Guldimann: Das hängt mit einer Tradition schweizerischer Aussenpolitik zusammen, die in den beiden Weltkriegen entstanden ist. Die Schweiz unterstützte verfeindete Mächte in dem Sinne, dass sie die Interessen des einen Staates im anderen wahrgenommen hat. Das ist auch zwischen den USA und Iran der Fall.
Die Schweiz ist nicht Vermittlerin, sondern Briefträgerin.
Wie geht man vor, wenn man einen Gefangenenaustausch erreichen möchte?
Wenn die iranische Regierung der US-Regierung etwas übermitteln will, ruft sie den Schweizer Botschafter oder einen Diplomaten in Teheran zu sich und übergibt ihm Informationen mit der Bitte, diese nach Washington zu übermitteln.
Der Inhalt wird dann mit einem verschlüsselten Fax von Teheran nach Bern und an die schweizerische Botschaft in Washington geschickt. Dort geht ein Schweizer Diplomat mit der Information zum US-Aussenministerium. Das Gleiche passiert auch umgekehrt. Die Schweiz ist also nicht Vermittlerin, sondern Briefträgerin.
Was sind die heiklen Punkte in einem solchen Verfahren?
Für die Schweiz ist das Mandat nicht heikel, sondern sehr nützlich. Sie kann durch das Mandat auf beiden Seiten auf besonderes Interesse stossen. Die USA haben ein Interesse an der Schweiz, auch, weil die Schweizer Diplomaten die Situation im Iran kennen.
Als grosse Öffnung zwischen den beiden Ländern kann man den Gefangenenaustausch nicht sehen.
Der Schweizer Botschafter in Teheran begibt sich ein-, zweimal pro Jahr nach Washington und erklärt, wie er die Lage im Iran einschätzt. Das ist Teil des Mandats.
Der Gefangenenaustausch wurde medienwirksam von beiden Ländern begleitet. Nimmt man in Kauf, dass die Schweizer Diplomatie zu Propagandazwecken missbraucht wird?
Selbstverständlich ist der Austausch von Gefangenen ein politischer Schritt, den man entsprechend ausnützt. Deshalb entsteht aber kein Schaden für die Schweizer Diplomatie – im Gegenteil.
Was hat die Schweiz von so einem Erfolg?
Ansehen. Die Rolle der Schweiz als Übermittlerin und glaubwürdige Interessenvertreterin dient unserer Aussenpolitik.
Denken Sie, dass der Gefangenenaustausch US-Präsident Donald Trump politisch hilft?
Es ist eher ein Schritt des guten Willens. Im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2020 ist Trump überhaupt nicht daran interessiert, die enorm grossen Spannungen, die vor allem wegen der US-Sanktionen gegen den Iran existieren, eskalieren zu lassen. Bis hin zum Punkt, wo sich die Frage einer militärischen Auseinandersetzung stellen könnte. Eine solche würde Trump im Wahlkampf sicher schaden.
Warum hat der Austausch gerade jetzt geklappt? Das Klima zwischen den beiden Staaten war ja schon besser.
Als grosse Öffnung kann man den Gefangenenaustausch nicht sehen. Das macht noch keinen Frühling. Tatsache ist, dass die Amerikaner das Nuklearabkommen aufgekündigt haben. Seither sind die Beziehungen zum Iran eskaliert. Es herrschen grosse Spannungen in der Region. Mit diesem kleinen Schritt können sie ein bisschen gedämpft werden. Das heisst aber noch lange nicht, dass sich die Beziehungen bedeutend verbessert hätten.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.