Die heutige Medienkonferenz zur Energiesparkampagne des Bundesrats bescherte der interessierten Öffentlichkeit etliche Déjà-vus aus der Pandemie-Zeit. Wieder wird in dramatischen Appellen vor der Eskalation gewarnt («Existenzen stehen auf dem Spiel», «der soziale Frieden und Zusammenhalt ist gefährdet»), wieder wird mit eingängigen Slogans geworben («Jede Kilowattstunde zählt» statt «Bleiben Sie zu Hause»), wieder werden Plakate, Flyer und Inserate, die Solidarität der Bevölkerung einfordern, präsentiert: vorher bei Impfung und Schutzmassnahmen, jetzt beim freiwilligen Energiesparen.
Und wieder ist die Einigkeit unter den verschiedenen Beteiligten erstaunlich: Während in der ersten Welle der Pandemie alle (!) Parteien in einer gemeinsamen Medienerklärung dem Bundesrat die Unterstützung versicherten, waren heute Wirtschaftsverbände, Kantone und Branchenvertreter vor Ort, um die Sparappelle zu unterstützen.
Der grosse Unterschied: Bei Corona kamen die Appelle und Slogans, als die Pandemie bereits da war. Bei der aktuellen Energiekrise geht es darum, eine mögliche Mangellage gar nicht erst entstehen zu lassen, um die schlimmsten Auswirkungen wie Kontingentierungen oder Abschaltungen zu vermeiden. Der Bundesrat fordert die Bevölkerung auf, beim Heizen, beim Duschen, bei der Beleuchtung oder beim Abwaschen möglichst viel Energie zu sparen.
Mögliches Sparziel scheitert an der Messbarkeit
Auf die Fragen der Journalistinnen und Journalisten, wie viel denn mit den freiwilligen Empfehlungen eingespart werden soll und kann, blieben Bundesrätin Sommaruga und Kollege Parmelin allerdings höchst vage. Der Grund dürfte sein: Es ist für Bundesrat und Energiebranche schlicht unmöglich, den genauen Energiebedarf von Frau Schweizerin und Herrn Schweizer zu ermitteln. Und wenn man nicht weiss, wo man startet, kann man auch kein Ziel formulieren.
Damit sind wir bei einem weiteren Déjà-vu aus der Pandemie-Zeit. Der Einsicht, dass die Schweiz in Sachen Digitalisierung enormen Aufholbedarf hat. In der Pandemie waren es die Faxgeräte, über welche die Fallzahlen an das Bundesamt für Gesundheit gemeldet wurden, die für grosses Kopfschütteln sorgten. Heute wurde klar, dass die meisten Haushalte noch mit den alten Stromzählern ausgerüstet sind, die einmal pro Jahr abgelesen werden. Entsprechend ist ein Sparziel heute obsolet, weil es weder gemessen noch überprüft werden kann. Der Bundesrat befindet sich also mit seinen Sparempfehlungen im Blindflug.
Trotz Mängel: Es braucht Sensibilisierung
Das ist bedauerlich, denn aus der Verhaltenspsychologie weiss man, dass eine Kampagne erfolgreicher ist, wenn die angesprochenen Menschen das Ziel genau kennen. Und noch erfolgreicher ist es, wenn jederzeit transparent ist, wie weit man noch vom Ziel entfernt ist. Auf diesen verhaltenspsychologischen Rückenwind kann die bundesrätliche Kampagne also nicht bauen.
Das ist kein Grund, an der Kampagne herumzumäkeln. Den Ofen mit Umluft statt mit Ober- und Unterhitze zu betreiben, nur fünf statt zehn Minuten zu duschen oder die Wäsche zum Trocknen aufzuhängen, anstatt den Tumbler in Betrieb zu nehmen: All das kostet keinen Komfort und kann doch ein paar Prozent Energie sparen. Im besten Fall hilft die Kampagne, einen Blackout zu vermeiden. Auch wenn wir nie wissen werden, wie viel Energie eigentlich eingespart wurde.