- Der Bundesrat schlägt als indirekten Gegenvorschlag zur Organspende-Initiative die Einführung einer erweiterten Widerspruchslösung vor.
- Wer keine Organe spenden möchte, soll dies neu festhalten müssen.
- Ist der Wille einer verstorbenen Person jedoch nicht klar dokumentiert, werden weiterhin die Angehörigen um ihr Einverständnis gebeten.
Der Bundesrat hat die Vernehmlassung zu einer Änderung des Transplantationsgesetzes eröffnet. Heute gilt in der Schweiz die Zustimmungslösung: Eine Organspende kommt nur dann infrage, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Spende zugestimmt hat. Liegt keine Willensäusserung vor, müssen die Angehörigen entscheiden.
Mit Initiative wird Zustimmung vermutet
Die Folge davon ist, dass es in der Schweiz zu wenige Spenderorgane gibt. Letztes Jahr sind 68 Personen auf der Warteliste für ein Spenderorgan gestorben, ohne ein Organ erhalten zu haben. Die Initiative «Organspende fördern – Leben retten» verlangt, dass jede Person Organspender wird, die sich nicht zu Lebzeiten dagegen ausgesprochen hat. Die Zustimmung zur Organentnahme wird vermutet.
Der Bundesrat schlägt stattdessen eine erweiterte Widerspruchslösung vor. Wer nach seinem Tod seine Organe nicht spenden will, soll dies explizit festhalten müssen. Dazu wird ein Register geschaffen, in dem ein Widerspruch einfach eingetragen werden kann. Jeder soll frei sein, sich dafür oder dagegen zu entscheiden, erklärte Bundesrat Alain Berset vor den Medien.
Mutmasslicher Wille der verstorbenen Person
Der Bundesrat will aber auch die Angehörigen einbeziehen. Findet sich kein dokumentierter Wille, werden wie bisher die Angehörigen befragt. Sie könnten einer Entnahme von Organen zustimmen oder widersprechen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht.
Diese Lösung habe in vielen europäischen Ländern dazu beigetragen, die Versorgung mit Spenderorganen zu verbessern, so der Bundesrat. Dies soll nun also auch in der Schweiz der Fall sein. «Menschen, die auf ein rettendes Organ warten, sollen eine gute Chance haben, ein Organ zu erhalten, wenn es möglich ist», führte Berset an der Medienkonferenz weiter aus.
Menschen, die auf ein rettendes Organ warten, sollen eine gute Chance haben, ein Organ zu erhalten, wenn es möglich ist.
Auch die Nationale Ethikkommission (NEK) hatte sich Anfang Woche für ein System ausgesprochen, bei dem ein fehlender Wille nicht gleichbedeutend mit einer Zustimmung zur Organspende zu werten sei. Dies wäre ein Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte. Die NEK schlägt eine Erklärungsregel vor, bei der neben «Ja» oder «Nein» auch «Keine Erklärung» angekreuzt werden könne.
Die Voraussetzungen für eine Spende würden auch mit einem Systemwechsel gleich bleiben wie heute: Organe spenden können nur Personen, die im Spital einen Hirntod infolge Hirnschädigung oder Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden. Verstirbt jemand ausserhalb des Spitals, ist eine Organspende nicht möglich.
Hinter der Organspende-Initiative, die 2017 lanciert wurde, steht die Jeune Chambre Internationale (JCI), eine Vereinigung von Menschen zwischen 18 und 40 Jahren mit weltweit über 200'000 Mitgliedern. JCI-Sprecherin Mélanie Nicoller begrüsst den Vorschlag des Bundesrates: «Ich bin positiv überrascht. Wir hätten nicht gedacht, dass er so nah an unseren Vorschlägen liegt.»