Radio SRF hat diese Woche über ein vertrauliches Dokument über die Konsequenzen für die Schweiz bei einem Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU berichtet. Fabio Wasserfallen, Professor für EU-Politik, äussert sich dazu, wie die Diskussion jetzt weitergehen sollte.
SRF News: Wem nützt denn die Veröffentlichung des Papiers am meisten?
Fabio Wasserfallen: Man kann davon ausgehen, dass es eher von den Kräften kommt, die das Rahmenabkommen noch retten möchten, die jetzt auch über die Risiken oder Nachteile bei einem Scheitern dieses Vertrags diskutieren möchten. Die Frage ist, warum man über diese Risiken nicht diskutieren sollte, das ist es ja, was das Papier thematisiert.
Warum will man nicht darüber reden?
Wahrscheinlich, weil man so lange nicht darüber gesprochen hat. Jetzt ist der Zeitpunkt ein bisschen spät. Warum nicht bereits Ende 2018, als die Konsultationen zum Vertragstext gestartet wurden? Im Rückblick muss man sagen, damals hätte man darauf hinweisen können, was im Vertrag steht und was für die Schweiz auf dem Spiel steht, wenn das Abkommen nicht geschlossen werden kann.
Jetzt ist der Zeitpunkt ein bisschen spät.
Die Verhandlungen sind abgeschlossen. Es ist also sinnlos, dass Papier unter Verschluss zu halten.
Ich kann zu wenig sagen, was im Bundeshaus passiert. Aber offensichtlich steht es im Vertrauensverhältnis zwischen der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats und dem Bundesrat nicht zum Besten und da können schnell Dokumente einen Weg in die Öffentlichkeit finden.
Sollte der Bundesrat das Papier nun veröffentlichen?
Ich weiss nicht, ob genau dieses Dokument in dieser Form, aber was der Bundesrat schon länger hätte tun sollen ist, auf die Nachteile hinzuweisen, damit es bei der Meinungsbildung nicht nur um die Probleme im Vertrag geht, sondern was für die Schweiz auf dem Spiel steht.
Es geht also auch um das Thema Transparenz?
Ja, denn der Bundesrat kann zuerst die Verhandlungen führen und dann sagen, was er verhandelt hat. Wenn er dann konsultieren und die politischen Kräfte einbinden will, muss er Transparenz herstellen. Aber das ist ein schmaler Grat, wenn er informieren und die verschiedenen Akteure konsultieren will. Schwierig ist vor allem die Frage, was thematisiert werden soll.
Entweder übernimmt der Bundesrat Verantwortung und macht die Konsultationen vertraulich. Oder er macht eine grosse Konsultation, bei der verschiedene Aspekte auf den Tisch kommen. Dies kann schwierig werden, weil gewisse Dinge diskutiert werden, aber andere nicht und sich dann eine sehr verzerrte Diskussion der Grundinteressen in der Öffentlichkeit ergibt.
Hat der Bundesrat seine Arbeit dabei gut gemacht?
Ganz offensichtlich nicht. Es gab verschiedene Momente, die sehr wesentlich waren. Der erste war, als sich die Verhandlungsführer und der Bundesrat mit den Gewerkschaften überworfen haben. Es war ein Kardinalfehler, dass ein wesentlicher Akteur in der Konsultation ausgeschert ist. So wurde das Abkommen von allen Seiten kritisiert, weil sich alle erhofft haben, den Vertrag noch irgendwie in eine Richtung zu verändern.
Es war ein Kardinalfehler, dass ein wesentlicher Akteur in der Konsultation ausgeschert ist.
Das vorliegende Ergebnis scheint nicht sehr gut zu sein: Wir haben einen Vertragstext, der kaum mehrheitsfähig ist. Aber ein institutioneller Rahmen ist notwendig ist, um die bilateralen Verträge weiterzuführen. Und eine grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung will die Bilateralen weiterführen. Vom Ergebnis her betrachtet, hat der Bundesrat sicherlich keinen guten Job gemacht und man kann auch klare Fehler erkennen.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.