Weltweit kämpfen Behindertenorganisationen dafür, dass Barrieren abgebaut werden. Eine davon: Behördeninformationen, die nur in Bild und Ton übertragen werden – und damit für Gehörlose unverständlich bleiben.
Mit der Corona-Pandemie hat sich nun aber einiges getan: die Macrons, Merkels und Johnsons dieser Welt werden von Gebärdendolmetschern flankiert. Und ziehen auch die Blicke derjenigen auf sich, für die die Zeichen gar nicht gedacht sind.
«Niet hamsteren» geht viral
In den Niederlanden ist die Gebärdendolmetscherin Irma Sluis zur Kultfigur geworden. Ihre Aufforderung «Nicht hamstern!» im ersten Shutdown vom Frühling sagte mehr als tausend Worte von Premier Mark Rutte.
Doch es gibt auch abseits vom blossen Unterhaltungswert Positives zu vermelden: Die mediale Präsenz von Gebärdendolmetschern habe das Bewusstsein für die Situation von Gehörlosen verstärkt, sagt Martina Raschle vom Schweizerischen Gehörlosenbund.
So würden etwa viele Anfragen von Schülerinnen und Schülern kommen, die ihre Diplom- und Vertiefungsarbeiten dem Thema widmen möchten. Auch am Studiengang Gebärdendolmetschen gäbe es nun grösseres Interesse.
Schwierige Interaktion mit Hörenden
Dazu kommt: Dadurch, dass wir plötzlich alle eine Maske tragen müssen, merken, wir, wie viel wir auch visuell wahrnehmen in der Kommunikation. Denn auch wer normalerweise gut hört, stösst nun im Alltag auf Hindernisse. «Sobald wir mit jemandem im Tram sitzen und beide eine Maske tragen, verstehen wir nur noch die Hälfte. Wir merken, wie viel wir von den Lippen ablesen und wie sehr wir auf Mimik angewiesen sind», sagt Raschle.
Für Gehörlose verschärft sich die Lage durch die allgegenwärtigen Masken. Untereinander hätten sie keine Kommunikationsprobleme, führt Raschle aus. «Die Probleme entstehen in der Interaktion mit hörenden Menschen, sobald es um gesprochene Sprache geht.» Viele Betroffene versuchten, sich im Alltag «durchzuwursteln». Die Situation sei aber sehr schwierig.
Es droht Vereinsamung
Dem ist sich auch der Gesetzgeber bewusst: In der Covid-Verordnung gibt es in Artikel 3 eine entsprechende Ergänzung. Diese besagt, dass man in der Kommunikation mit Menschen, die schlecht hören, die Maske abnehmen darf. Dabei muss allerdings Abstand gewahrt werden.
Diese Möglichkeit im Umgang mit Gehörlosen sei noch zu wenig bekannt, beklagt Raschle. Viele Betroffene berichten dem Gehörlosenbund von Alltagssituationen, in denen die Kommunikation erschwert ist. Zum Beispiel bei Beratungen in der Apotheke. «Wenn sie das Verkaufspersonal bitten, die Maske herunterzunehmen, damit sie verstehen, kommt oft die Antwort: ‹Das dürfen wir nicht.›»
Ohnehin sei es für Gehörlose oft mühselig, andere Menschen auf ihre Bedürfnisse hinzuweisen. Das sei jetzt durch die Masken noch viel schwieriger geworden, bilanziert Raschle. «Sie scheuen sich dann auch vor solchen Situationen und gehen ihnen aus dem Weg, was zur Vereinsamung beiträgt.»
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