Was soll mit der zunehmenden Zahl von Geimpften wieder möglich sein? Welche Ausnahmen soll es für Geimpfte, Getestete und Genesene geben? Im Ständerat hat die Ausstiegsstrategie des Bundesrats aus den Corona-Massnahmen einiges zu reden gegeben.
Eine Strategie, der offensichtlich manche Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht so ganz trauen. Der Rat fügte auf jeden Fall zwei neue Artikel ins Covid-19-Gesetz ein, die die Strategie sowie Ausnahmen gesetzlich festschreiben.
Die Absicht war ja, dem Bundesrat etwas Daumenschrauben anzulegen. Damit können wir schon leben.
Zwei Forderungen standen im Ständerat zur Diskussion. Erstens die Forderung, dass Geimpfte, Getestete und Genesene öffentliche Einrichtungen oder Veranstaltungen frei sollen besuchen können. Und zweitens die Forderung, dass, sobald die impfwilligen Erwachsenen geimpft sind, die Beschränkungen für öffentliche Einrichtungen und Veranstaltungen allgemein fallen sollen.
Bundesrat Ueli Maurer hielt zu diesen Forderungen im Namen des Bundesrates fest: «Materiell denken wir gleich wie die Mehrheitsanträge ihrer Kommission. Aber trotzdem würden wir sie bitten, das nicht ins Gesetz zu nehmen, damit wir hier die Flexibilität noch haben.»
Ratslinke stützt den Bundesrat
Der Bundesrat verfolgt mit seiner Öffnungsstrategie die gleiche Politik. Aber er wehrt sich gegen gesetzliche Vorgaben. «Die Absicht war ja, dem Bundesrat etwas Daumenschrauben anzulegen. Damit können wir schon leben. Aber wir sollten mit den Kantonen auch die Flexibilität haben, die Massnahmen auch zu vollziehen. Das wäre meine Bitte.»
Eine Minderheit in der Kommission befürchtet etwas vereinfacht ausgedrückt, dass es zu einer Bildung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft kommen könnte.
Unterstützung erhielt Maurer vor allem von der Ratslinken. So hielt etwa SP-Mann Paul Rechsteiner fest: «Inhaltlich ist die Sache auf Kurs. Das ist sehr erfreulich mit den Öffnungen. Es braucht hier nun keine Eingriffe des Gesetzgebers, der den Bundesrat übersteuern würde.» Trotzdem entschied sich eine solide Mehrheit des Ständerats, die beiden Forderungen ins Covid-Gesetz zu schreiben.
Skepsis gegenüber dem BAG
Denn trotz Impf-Fortschritten und dreiphasiger Öffnungsstrategie des Bundesrates teilen manche Standesvertreterinnen und Standesvertreter die von Mitte-Ständerat Benedikt Würth geäusserte Skepsis gegenüber dem federführenden Bundesamt für Gesundheit: «Wir haben Signale bekommen – speziell aus dem BAG – dass dieses Drei-Phasen-Konzept am Ende doch wieder mit Vorbehalten verbunden ist und man möglicherweise wieder Einschränkungen vollzieht. Das ist aus unserer Sicht nicht richtig, nicht sachgerecht.»
Zudem argumentierte SVP-Ständerat Hannes Germann im Namen der vorbereitenden Kommission, dass Geimpfte, Getestete und Genesene keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellten. «Es gibt für die Kommissionsmehrheit keinen Grund mehr – zumindest keinen verhältnismässigen Grund mehr – diese Leute in ihren Grundrechten einzuschränken.»
Bildung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft?
Deshalb sei es durchaus gerechtfertigt, auch im Gesetz festzuschreiben, dass die Zugangsbeschränkungen für die genannten Personengruppen aufzuheben sind – trotz Widerstand: «Eine Minderheit in der Kommission – und auch das sei offengelegt – befürchtet etwas vereinfacht ausgedrückt, dass es zu einer Bildung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft kommen könnte», so Germann.
Nun geht das Geschäft an den Nationalrat. Dort sprach sich eine knappe Mehrheit der vorberatenden Kommission gegen die beiden Anträge aus. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht.