Der Winterthurer Musikclub Kraftfeld ist gerettet. In einem Crowdfunding haben die Verantwortlichen innert weniger Tage über 160'000 Franken gesammelt. Genügend Geld, um den Betrieb weiterzuführen. Seine Reserven hatte der Club während der Pandemie aufgebraucht, im letzten Jahr hatte ihm unter anderem die Teuerung zu schaffen gemacht.
Ein Crowdfunding-Experte ordnet den Erfolg ein – und sagt, welche Faktoren dafür entscheidend sind.
SRF News: Überrascht Sie dieser Erfolg?
Andreas Dietrich: Jein. Es überrascht mich nicht, dass man mit diesem Thema Leute mobilisieren kann. Es geht um Nachwuchsmusiker und um einen Club, der in Winterthur nicht unbekannt ist. Auf der anderen Seite ist der Betrag von 160'000 Franken sehr hoch. In der Schweiz generieren Crowdsupporting-Projekte im Schnitt 17'000 Franken.
Was denken Sie, wieso hat es in diesem Fall funktioniert?
Es ist vermutlich ein Mix verschiedener Faktoren. Das Video der Kampagne ist sehr einfach und persönlich. Ausserdem ist es emotional. Denn es wird klar, dass es auch um Arbeitsplätze geht. Dazu kommt, dass die Stadt Winterthur sicher kein schlechtes Pflaster für eine Kampagne ist. Wenn man in einer Stadt ein solches Thema hat, kann man theoretisch recht viele Leute mobilisieren.
Was ist generell zentral, damit ein Crowdfunding erfolgreich wird?
Eine einfach zu erklärende Geschichte, die berührt. Man muss in zehn Sekunden erklären können, worum es geht und wieso man Unterstützung braucht. Der Anfang der Kampagne ist entscheidend. Wir sprechen von «launch hard or go home». Meist entscheidet sich in der Anfangsphase, ob ein Projekt zustande kommt. Wenn man nach einem Drittel der Kampagne erst fünf Prozent des Geldes gesammelt hat, ist die Wahrscheinlichkeit sehr klein, dass man sein Ziel erreicht.
Ein gut gemachtes Video macht einen Erfolg wahrscheinlicher.
Umgekehrt gibt es einen Gruppeneffekt: Wenn jemand sieht, dass schon viele andere Leute ein Projekt unterstützt haben, zahlt die Person auch etwas. Bei gewissen Projekten ist zudem die Gegenleistung ziemlich attraktiv. Auch das kann einen Einfluss darauf haben, ob man Geld gibt oder nicht.
Welche Rolle spielt die lokale Verankerung eines Projektes?
Eine sehr grosse. Wir haben herausgefunden, dass die meisten Projekte lokal finanziert werden. Die durchschnittliche Distanz zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern beträgt elf Kilometer. Beim Beispiel aus Winterthur wäre deshalb meine Vermutung, dass das Geld nicht aus Bern oder Basel gekommen ist, sondern ein grosser Teil aus der Stadt selbst.
Wie gross ist die Erfolgschance in der Schweiz?
Im internationalen Vergleich ist sie sehr hoch. Drei von vier Kampagnen werden tatsächlich finanziert. Das sind Spitzenwerte. In der Schweiz haben wir eine gute Ausgangslage.
Die Verantwortlichen müssen ihre Kampagne auch über Social Media streuen und ihre Community informieren.
Woran liegt das?
Das haben mein Forschungsteam und ich uns auch gefragt. Ich glaube, die Plattformen in der Schweiz machen einen wirklich guten Job. Viele bieten auch gewisse Beratungsleistungen an. Sie raten etwa, dass die Kampagnen-Verantwortlichen noch ein Video machen sollen und geben ihnen Tipps, wie man ein Crowdfunding macht.
Es reicht nicht, einfach ein Video auf eine Crowdfunding-Plattform zu laden. Die Leute schauen nicht täglich drauf, um zu schauen, wem sie Geld geben könnten. Die Verantwortlichen müssen ihre Kampagne deshalb auch über Social Media streuen und ihre Community informieren.
Das Gespräch führte Nina Thöny.