Die Ebene von Aarberg bis Solothurn – ein einziger grosser See: Katastrophale Überschwemmungen setzten der Bevölkerung im Seeland bis weit ins 19. Jahrhundert zu, brachten Tod, Verwüstung und grosse Armut. Die Leute waren arm und viele waren krank.
Es grassierte sogar Malaria. «Selbst bei kleineren Überschwemmungen hatte man schnell nasse Füsse», sagt Rudolf Käser, der sich intensiv mit den tödlichen Fluten auseinandergesetzt hatte.
Erst ein ausgeklügeltes Kanalsystem, die Juragewässerkorrektion, bändigte die Natur – eine gewaltige Pionierleistung vor rund 150 Jahren. Im Seeland, dem Gebiet zwischen Bieler-, Murten- und Neuenburgersee, hat sich die Landschaft seither stark verändert.
Böden lösen sich in Luft auf
So entstand das Grosse Moos, der Gemüsegarten der Schweiz: Ein Viertel des Schweizer Gemüses stammt aus dieser Region.
Der Eingriff hatte aber auch negative Folgen: Die Artenvielfalt hat gelitten, der Boden ist nicht mehr so fruchtbar wie früher und hat sich in den letzten 100 Jahren um bis zu 2.5 Meter abgesenkt.
Das liegt daran, dass sich der fruchtbare Moorboden an der Luft buchstäblich auflöst. «Weil sie nicht mehr wie früher von Wasser bedeckt sind, verschwinden die Böden buchstäblich», sagt Marcel Liner, Landwirtschaftsexperte von Pro Natura. Auch für die Landwirtschaft ist das ein Problem: In den Absenkungen staut sich das Wasser und erschwert die Bewirtschaftung.
Aufschüttung bremst Zersetzung des Moorbodens
Deshalb wird der Boden an verschiedenen Stellen aufgeschüttet und die Bodenschichten neu durchmischt. Ein Forschungsteam der Universität Zürich untersucht diese Aufschüttungen. Das Ziel: Die Forschenden wollen herausfinden, ob das allmähliche Verschwinden der Moorböden verhindert werden kann.
Jetzt liegen erste Zwischenergebnisse vor: «Durch die Aufschüttung halbiert sich die Zersetzung des darunter liegenden Moorbodens», sagt Markus Egli, Forscher an der Universität Zürich, der die Studie leitet.
Das Problem: Durch die Aufschüttung entstehen neue CO₂-Emissionen, weil dort wieder Landwirtschaft betrieben werden kann. Doch es gibt auch positive Effekte: «Das Absacken des Bodens verlangsamt sich. Ausserdem kann auf dem neuen Boden wieder Landwirtschaft betrieben werden.»
Das Seeland ist eine Agrarwüste.
Aber die Umweltprobleme bleiben. Vor allem die Biodiversität hat unter der Juragewässerkorrektion stark gelitten. «Das Seeland ist eine Agrarwüste. Ein Feldhase zum Beispiel kann hier nicht mehr leben», sagt Liner von Pro Natura.
Heute gebe es nur noch vereinzelte kleine Naturschutzgebiete, bei denen man sehen könne, wie die «sehr lebendige» Region früher ausgesehen habe. Auch die Qualität des Trinkwassers leide unter den vielen Pestiziden, die durch die Landwirtschaft in die Böden gelangten.
Ob Hochwasser oder Hitzewelle: Durch die Klimaerwärmung nehmen Wetterextreme zu und diese haben in den letzten Jahren massive Schäden verursacht. Ein Bauernverband im Seeland fordert deshalb eine dritte Juragewässerkorrektion. Die Kantone des Drei-Seen-Landes lehnten dies ab. Wie es im Seeland weitergeht, ist unklar.