Um zu arbeiten, müssen Pflegende im Kanton Genf ab dem 23. August ein Covid-Zertifikat vorlegen. Sie sollen belegen, dass sie geimpft, getestet oder genesen sind. Wer ein Zertifikat verweigert, muss sich trotzdem alle sieben Tage testen lassen. Laut einer Mitteilung der Genfer Regierung drohen Angestellten, welche sich nicht an die Regeln halten, strafrechtliche Konsequenzen. Pierre-André Wagner vom Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer sagt, wie diese neue Massnahme beim Personal ankommt.
SRF News: Was sagen Sie zum Entscheid des Kantons Genf?
Pierre-André Wagner: Diese Massnahme ist nicht drastisch. Aus Sicht des Verbands besteht wirklich kein grosser Grund zur Aufregung. Im Gegenteil, die Gefahr ist, dass man daraus eine grosse Geschichte macht. Der Verband war immer dezidiert gegen ein Impfobligatorium, weil die Pflegefachpersonen erwachsen sind und wissenschaftsbasiert arbeiten und genau wissen, was beruflich richtig und gut ist.
Sie haben nicht die freie Wahl, ob sie alles unternehmen, um ihre Patienten zu schützen.
Was uns stört, ist der Ton und nicht der Inhalt: Dieser drohende Unterton, der absolut nicht gut ankommt beim Pflegepersonal und das verstehen wir gut.
Ist das der erste Schritt zu einem Impfobligatorium?
Nein, im Gegenteil. Ich denke, das lässt dem Pflegepersonal die freie Wahl, ob es sich impfen lassen will oder nicht. Aber die Angestellten haben nicht die freie Wahl, ob sie alles unternehmen, um ihre Patienten zu schützen. Das ist ein Weg, um nicht zu einem Impfobligatorium zu schreiten.
Was stört Sie am Ton der Massnahme?
Es ist völlig unnötig, mit Strafandrohungen zu kommen. Jeder Betrieb hat das Recht, dem Personal Weisungen zu erteilen und wenn es nötig ist, Sanktionen anzudrohen. Und hier kommt der Staatsrat von Genf mit der Androhung von Strafverfahren.
Beim Pflegepersonal kommt das extrem schlecht an.
Beim Pflegepersonal kommt das extrem schlecht an. Wir reden von Leuten, die Respekt erwarten: Sie haben sich anderthalb Jahre wirklich unter schwierigsten Bedingungen aufgeopfert. Es ist eine vernünftige Massnahme, die man vernünftig erklären kann, ohne gleich den grossen Knüppel auszupacken.
Doch offensichtlich hätte das die gewünschte Wirkung nicht gezeigt.
Ja, bei der Impfung. Es ist wichtig, anzuerkennen, dass Leute, die wissenschaftsbasiert und tagtäglich mit Patienten arbeiten, für sich beschliessen: «Nein, das möchte ich für mich nicht.» Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass man diesen Personen glaubhaft macht, dass die Testpflicht und das Covid-Zertifikat eine nachvollziehbare und gute Massnahme ist. Eine Schutzmassnahme, die wichtig ist im Interesse der Patienten und der anderen Mitarbeiterinnen.
Das Gespräch führte Angélique Beldner.