Eine geschenkte Luxusreise, ein Lügen-Konstrukt und am Ende ein amtierender Regierungsrat vor Gericht. Die Affäre rund um den Genfer Staatsrat Pierre Maudet beschäftigt die Politik in der Calvin-Stadt inzwischen seit Jahren. Mit dem Prozess, der am Montag startet, kommt sie nun zu ihrem vorläufigen Höhepunkt.
Im Fokus steht eine Luxusreise nach Abu Dhabi inklusive des Besuchs eines Formel-1-Rennens für Maudet, seine Familie und seine engsten politischen Mitarbeiter – eingeladen von den Behörden Abu Dhabis. Kostenpunkt laut Anklageschrift: 50'000 Franken. Hinzu kommt, dass Maudet vor Ort den Kronprinzen traf. Juristisch sei dies problematisch, sagt der emeritierte Strafrechtsprofessor Mark Pieth. «Normalerweise bezahlt ein Magistrat seine Reise selbst. Und wenn es ein Geschenk ist, dann darf es keinen Bezug zum Amt haben».
«Die Wahrheit verschwiegen»
Pierre Maudet erklärte stets, dass die Reise privater Natur und das Treffen mit dem Kronprinzen ein Zufall gewesen war. Doch er geriet zunehmend unter Druck – politisch und medial. Anfang September 2018 gab er schliesslich zu, einen Teil der Wahrheit verschwiegen zu haben. Das Treffen sei kein Zufall gewesen. Laut Anklage hat sich der Genfer Staatsrat damit einer sogenannten Vorteilsnahme schuldig gemacht. Für den Korruptionsexperten Pieth ist klar: «Das ist kein Kavaliersdelikt. Funktionäre nehmen keine Geschenke an.»
Machtmensch Maudet
Pierre Maudets Karriere ging steil bergauf. Mit 29 Jahren wurde er in die Genfer Stadtregierung gewählt, kurze Zeit später in die Kantonsregierung. Eine Karriere, die 2017 schliesslich in einer Bundesratskandidatur mündete. Maudet sei ein Machtmensch, sagt Philippe Reichen. Der Journalist und Buchautor hat sich intensiv mit dem Aufstieg und dem Fall von Maudet befasst. «Bereits als 20-Jähriger hat er zum ersten Mal gesagt, dass er die Macht liebt. Er ist ein ‹anmial politique›. Ein Berufspolitiker, wie man sie in der Schweiz sonst nicht kennt.»
Aufgeben ist kein Thema
Die Affäre Maudet dominierte zunehmend die Genfer Politik. Die Luft für den Regierungsrat wurde dünn. Regierungskollegen und die Partei wandten sich ab. Doch Maudet hielt am Amt fest. Zwar hatte er im vergangenen Herbst seinen Rücktritt angekündigt, gleichzeitig jedoch seine Kandidatur für die eigene Wiederwahl bekannt gegeben.
Inzwischen ist der parteilose Noch-Regierungsrat bereits wieder im Wahlkampf. Zwischenzeitlich hatte er ein kleines Beratungsbüro eröffnet, um Genferinnen und Genfer zu beraten, die wirtschaftlich von der Coronakrise betroffen sind.
Die Ersatzwahl ist auf den 7. März terminiert. Spätestens dann dürfte das Genfer Stimmvolk über das politische Schicksal des einstigen FDP-Shootingstars entscheiden. Das juristische Verdikt – egal wie es ausfällt – dürfte an seinen Plänen, sich zur eigenen Wiederwahl zu stellen, kaum etwas ändern.