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Uhrenfirma zwingt Angestellte zum Ausstempeln für WC-Pause
Aus Schweiz aktuell vom 07.10.2024.
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Gerichtsentscheid in Neuenburg Wenn Angestellte bei der WC-Pause ausstempeln müssen

Zum ersten Mal hat ein Gericht einer Firma recht gegeben, die ihre Angestellten bei WC-Pausen ausstempeln lässt. Die Behörden in Neuenburg sind nun beunruhigt. Auch der Arbeitgeberverband zeigt sich überrascht.

Darum geht es: Wer beim Uhrenhersteller Jean Singer et Cie in Boudry NE arbeitet und auf Toilette geht, muss ausstempeln. Dies hat RTS in einer Recherche aufgedeckt. Alles fing mit einer Covid-19-Kontrolle im Jahr 2021 an, als das Büro für Beziehungen und Arbeitsbedingungen in Neuenburg (ORCT) feststellte, dass es in der Uhrenfirma eine Stempelpflicht bei WC-Pausen gibt. Für die kantonale Arbeitsverwaltung ist diese Praxis illegal – der Fall landete daher vor Gericht. Das Kantonsgericht hat der Uhrenfirma nun recht gegeben. Eine Premiere in der Schweiz.

Das sagt das Kantonsgericht: In seinem Urteil hält der Gerichtshof für öffentliches Recht fest, dass «der Begriff der Pause im Gesetz nicht klar definiert ist». Aufgrund dieser Lücke verbietet das Gesetz dem Arbeitgeber nicht ausdrücklich, Toilettenpausen als Pausenzeit anzurechnen. Aber: Das Gericht ist der Meinung, dass die Stempelpflicht Frauen aufgrund ihrer Periode diskriminiere und verlangt von der Uhrenfirma Massnahmen, um diese «Ungleichheit zu verringern».

Das steht im Arbeitsgesetz

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Das Recht auf Pausen ist im Arbeitsgesetz geregelt: Im Gesetz steht aber nichts zum Grund der Pausen. Es heisst einzig, dass Angestellte Anspruch auf regelmässige Pausen haben. Wofür sie die Pausen nutzen wollen, spielt keine Rolle. Geregelt ist die Länge der Pausen, die von der täglichen Arbeitszeit abhängt.

Diese «obligatorischen» Pausen wie auch zusätzliche Pausen sind nach dem Arbeitsgesetz nicht bezahlte Arbeitszeit. Der Arbeitgeber kann also verlangen, dass Mitarbeitende während der ihnen zustehenden Pause zur Toilette gehen oder sich für zusätzliche Pausen ausstempeln. Immerhin: Im Gegensatz zur Rauchpause darf er eine WC-Pause nicht verbieten.

Das sagt der Uhrenhersteller: Für das Unternehmen sei der Gang zur Toilette eine Arbeitsunterbrechung, sagt Pascal Moesch, Anwalt der Firma Jean Singer et Cie. «Ob es sich dabei um Toilettenpausen, Essenspausen, Ruhepausen, Telefonpausen oder um einen Spaziergang in der Natur handelt: Unabhängig vom Grund der Pause, muss sie gestempelt werden.»

Modernes Gebäude mit SINGER-Logo und umliegenden Autos.
Legende: Beim Uhrenhersteller Jean Singer et Cie muss man beim Gang zur Toilette ausstempeln. Betroffen sind 400 Angestellte. rts

Die Kritik: Beim Kanton Neuenburg kommt das Gerichtsurteil schlecht an. Die für Beschäftigung zuständige Regierungsrätin Florence Nater zeigte sich besorgt: «Ich hoffe, dass dieses Urteil keine Nachahmer bei anderen Unternehmen findet, die versucht sein könnten, solche Praktiken anzuwenden», sagte sie gegenüber RTS. Es sei schon ein starkes Signal. Diese Sorge teilt auch die Gewerkschafterin Solenn Ochsner, die bei der Unia Neuenburg für den Industriesektor zuständig ist. Für sie sitzt das Übel tief: «Wir werden oft auf andere Probleme hingewiesen, wie beispielsweise, dass gewisse Angestellte ein ärztliches Attest vorlegen müssen, wenn ihre Vorgesetzten der Meinung sind, dass sie zu oft auf die Toilette gehen».

Das sagt der Arbeitgeberverband: Der Arbeitgeberverband nehme das Urteil so zur Kenntnis, sagt Geschäftsleitungsmitglied Barbara Zimmermann-Gerster. «Es ist nicht die Richtung, in die es gehen sollte», jedoch sei dies ein Einzelfall. In den meisten Betrieben würden die WC-Pausen zur bezahlten Arbeitszeit gehören. «Angesichts des Fachkräftemangels müssen Arbeitgeber sehr wohl schauen, dass sie attraktiv sind und auch auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer eingehen», sagt Zimmermann-Gerster und ergänzt: «Wir appellieren an den Pragmatismus.»

Weitere Firmen mit WC-Pausen: Drei weitere Uhrenfirmen mit Sitz in La Chaux-de-Fonds NE lassen ihre Angestellten bei den WC-Pausen ausstempeln, wie RTS während der Recherche herausgefunden hat. Die drei Firmen «Sellita», «Universo» sowie «Rubattel und Weyermann» wollten dazu nicht Stellung nehmen. Die beiden letzteren gehören zur Swatch Group. Sie versicherte gegenüber RTS, dass sie nichts gewusst habe und die Praxis beenden werde. «Wir werden die Situation in diesen beiden Einheiten unverzüglich an die Standards des Konzerns anpassen», schrieb die Swatch Group. In allen Unternehmen der Gruppe werde keineswegs verlangt, dass man sich beim Gang zur Toilette ausstemple.

Schweiz aktuell, 7.10.2024, 19 Uhr;stal

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