Ein Techniker der SBB hat in einer Werkstatt über Monate hinweg mutmasslich hunderte Bremskontrollen an Zügen manipuliert. Das zeigt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, über das die Tamedia-Zeitungen berichten.
Anstatt die Bremsen von Personenzügen korrekt zu kontrollieren, trug der Mann fiktive Werte in ein Prüfsystem ein. So wurden defekte Bremsen nicht entdeckt und in Züge eingebaut. Im Fall einer Notbremse hätten möglicherweise Züge daher nicht schnell genug gebremst werden können, wie es in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August heisst.
Alle Bremsteile nachkontrolliert
Aufgeflogen ist der SBB-Mitarbeiter im letzten Jahr, öffentlich wurde der Fall jedoch erst jetzt durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Der 26-Jährige wehrte sich dort gegen seine fristlose Entlassung.
Wie lange der Mitarbeiter zuvor die Kontrollresultate mutmasslich manipulierte, war zunächst unklar. Das Bundesverwaltungsgericht nannte hunderte Kontrollen, die der Mann durchführte. Bei einer Stichprobe im Mai 2020 waren 80 Prozent von 95 überprüften Messungen wohl falsch.
Der Mann bestreitet, die Bremskontrollen absichtlich manipuliert zu haben. Das Gericht hält die fristlose Kündigung jedoch für gerechtfertigt. Laut SBB wurden die Schäden inzwischen behoben: Alle betroffenen Bremszangen seien identifiziert und nachkontrolliert worden.
Waren Reisende gefährdet?
Die Sicherheit der Reisenden sei nie akut gefährdet gewesen, sagten die SBB auf Anfrage von Keystone-SDA. Denn es sei nie eine Person alleine für die Sicherheit eines Zuges verantwortlich. Grundsätzlich fahre im täglichen Betrieb kein Zug ab, bevor der Lokführer nicht eine Bremsprobe gemacht habe. Eine Zugkomposition ohne korrekt funktionierende Bremse würde entdeckt und somit gar nicht zum Einsatz kommen, hiess es.
Gegenüber dem Gericht hatten die SBB aber erklärt, der Mann habe mit seiner Arbeitsweise den Eisenbahnbetrieb sowie die Sicherheit der Kundschaft auf das Gröbste gefährdet.
Die SBB entliessen den Mitarbeiter im Juni 2020 fristlos. Er focht dies an und verlangte eine Entschädigung in der Höhe eines Jahreslohnes. Das Bundesverwaltungsgericht hielt die fristlose Kündigung angesichts der Tragweite aber für gerechtfertigt und wies die Beschwerde ab. Der Mann kann das Urteil beim Bundesgericht anfechten.
BAV: Verantwortung liegt bei Unternehmen
Das Bundesamt für Verkehr (BAV), die Aufsichtsbehörde über die SBB, sieht sich nicht in der Verantwortung. Diese liege bei den Transportunternehmen, teilte das BAV mit. Das Bundesamt führe nur Stichproben durch, um zu überwachen, ob die Verantwortung wahrgenommen werde.
Der vorliegende Fall sei nicht meldepflichtig. Das BAV sei also nicht direkt involviert und kenne die Details nicht. Man werde den Vorfall jedoch ansprechen und insbesondere auf den Aspekt des Vier-Augen-Prinzips aufmerksam machen, hiess es.