Cédric Wermuth ist bekannt für klare Worte. Der Co-Präsident der SP sagt: «Sechs Monate nach Ende der Verhandlungen ums Rahmenabkommen sind wir alle ein bisschen konsterniert, dass der Bundesrat noch keinen Vorschlag gemacht hat. Unglücklicherweise hat er sich von Brüssel unter Druck setzen lassen.»
Die SP sei der Ansicht, dass die Schweiz selbstbewusst einen Vorschlag machen müsse, so Wermuth weiter. «Da dies aus der Landesregierung nicht zu kommen scheint und das zuständige Departement offenbar nicht den Mut hat, machen wir das eben.»
Die SP strebt in einer ersten Phase ein befristetes Stabilisierungsabkommen an, wobei es an der Schweiz liege, gewisse Vorleistungen zu erbringen, um das erwähnte Vertrauen wieder herzustellen. Wermuth spricht konkret von zwei Vorleistungen: «Erstens erhöhen wir den Kohäsionsbeitrag: Die Schweiz muss sich in anständiger Art und Weise an der Finanzierung der europäischen Aufgaben beteiligen.»
Zweitens gelte es ein klares Bekenntnis abzugeben, dass die Schweiz weiterverhandeln wolle. Die EU warte bis heute auf eine Antwort aus Bern. «Die SP meint Ja, wir wollen weiterverhandeln – aber auf einer besseren Basis.»
Vorleistung und Gegenleistung
Als Gegenleistung würde die EU die Schweiz wieder voll mitmachen lassen, etwa bei der Forschung. In einer zweiten Phase ginge es um neue Marktzugangsabkommen – etwa im Energiebereich. Und dann müsste die Schweiz auch das von Wermuth erwähnte Versprechen einlösen wieder über die grundsätzlichen institutionellen Fragen zu verhandeln.
Die EU wird sich durch diese Demutsgeste kaum beeindrucken lassen.
Mitte-Präsident Gerhard Pfister begrüsst, dass die SP Vorschläge präsentiert hat; allerdings hält er von diesen Vorleistungen nicht viel. «Die Erfahrung zeigt: Die EU nimmt noch so freundliche Signale nicht zur Kenntnis, sondern kommt gleich wieder mit neuen Forderungen. Trotz Volksabstimmungen, die allesamt pro-europäisch ausgefallen sind. Die EU wird sich durch diese Demutsgeste kaum beeindrucken lassen.»
Und obwohl Pfister von einer Demutsgeste spricht, sagt auch er, dass die Schweiz ihren Beitrag leisten müsse, um wieder Vertrauen herzustellen: «Die Schweiz kann der EU insbesondere bei der Personenfreizügigkeit mit Massnahmen entgegenkommen, die zu einer Deeskalation führen. Das ist ein Ansatz, der auch vom Bundesrat verfolgt wird.»
Es gibt also Differenzen zwischen der Mitte und der SP, wie das Vertrauen der EU wieder gewonnen werden kann. Diese Differenzen bergen durchaus Konfliktpotential. Denn Pfister könnte sich vorstellen, dass die Schweiz auch bei den flankierenden Massnahmen gewisse Konzessionen macht. Doch bei der Europafrage geht es nur vorwärts, wenn die SP, die Mitte und die FDP in die gleiche Richtung ziehen.
Hier kommt FDP-Präsident Thierry Burkart ins Spiel. Er sagt zur Roadmap der SP, diese sei gar nicht so weit weg von den Vorstellungen des Bundesrats. Bei den wichtigen Fragen bleibe die SP aber eine Antwort schuldig: «Nämlich bei denjenigen Fragen, wie man die grossen Differenzen zwischen der Schweiz und der EU regeln will.»
Heisse Eisen gleich anpacken?
Die SP will tatsächlich die grossen Themen – die flankierenden Massnahmen oder auch die Unionsbürgerrichtlinie – bewusst in die zweite Phase verschieben, um das Ganze nicht gleich wieder gegen die Wand zu fahren. Anders als die Mitte und auch die FDP.
So stellt sich die Frage nach dem richtigen Vorgehen: Zuerst Vertrauen schaffen und dann die heiklen Fragen angehen, oder gleich von Beginn an auch die heiklen inhaltlichen und institutionellen Fragen mit einbeziehen?