Seit jeher ist der männliche Körper in der Medizinforschung das Mass aller Dinge. Da sich die männlichen und weiblichen Körper aber in vielerlei Hinsicht unterscheiden, kann beispielsweise eine einheitliche, am männlichen Körper orientierte Dosierung oder Behandlung fatale Folgen haben.
Da dieses Gebiet noch wenig erforscht ist, soll es an der Universität Zürich nun eine neue Professur für Gendermedizin geben – welche die Geschlechterunterschiede besser berücksichtigt und eine medizinische Lücke zu schliessen versucht.
Unterschiedliche Bedürfnisse der Geschlechter
Frauen und Männer weisen bei Krankheiten unterschiedliche Symptome auf und brauchen bei Medikamenten unterschiedliche Dosierungen. Doch obwohl mehr als die Hälfte unserer Bevölkerung weiblich ist, sei in der Medizin – und vor allem in der Forschung – klar, dass der Mann der Prototyp ist, sagt Beatrice Beck Schimmer, Direktorin Universitäre Medizin an der Universität Zürich: «Wir möchten das gerne ändern, beginnend am Standort Zürich.»
Zu diesem Zweck soll es an der Universität Zürich schon bald eine neue Professur, also einen neuen Lehrstuhl für Gendermedizin geben. Dort sollen die biologischen Unterschiede der Geschlechter genauer erforscht werden. Und diese Erkenntnisse sollen dann auch in die Ausbildung von künftigen Ärztinnen und Ärzten miteinfliessen.
Ich glaube, das wäre auch eine Pionierleistung, insbesondere in der Schweiz.
Wie wichtig eine differenziertere Forschung sein könne, zeigten diverse Beispiele aus dem medizinischen Alltag, so Beatrice Beck Schimmer. Äusserst eindrücklich sei eine Studie über Herzmedikamente: Diese habe gezeigt, dass beim Mann bei hundertprozentiger Dosierung der volle Effekt da sei – bei der Frau sei derselbe Effekt aber schon bei der Hälfte der Dosierung eingetreten. «Die restlichen 50 Prozent sind also eine Überdosierung – dabei geht man auch das Risiko von mehr Nebenwirkungen ein.»
Vielfältige Gründe für den hohen Männeranteil
Warum die medizinische Forschung auch in der neueren Zeit oft auf den männlichen Körper zurückgreift, hat nicht nur mit einer männlichen Perspektive oder Tradition zu tun. Bei den klinischen Studien sei es so, dass es schwieriger ist, Frauen einzuschliessen, sagt Beck Schimmer. Vor allem, wenn sie im gebärfähigen Alter seien, denn dann könnte ein Medikament auch eine Auswirkung auf ein allfälliges Kind haben – oder Spätwirkungen. «Zusätzlich weiss man, dass Frauen ein wenig risikoaverser sind als Männer, wenn es um eine Teilnahme an einer solchen Studie geht», so die Medizinerin.
Doch es gibt auch das Umgekehrte, wobei medikamentöse Auswirkungen bei Männern zu wenig erforscht sind – Beispiel Osteoporose. Genau hier soll die neue Professur ansetzen: Sie soll das Bewusstsein dafür schärfen, dass die beiden Geschlechter unterschiedliche medizinische Bedürfnisse haben.
Die Finanzierung für den neuen Lehrstuhl ist mithilfe von Spenden und Stiftungen vorläufig gesichert. Sie hätten rund 1.7 Millionen Franken bekommen, so Beck Schimmer. Da dieser Betrag nicht für die gesamte Lebensdauer der Lehrperson ausreiche, beteilige sich auch die Universität Zürich finanziell.
Nun folgt eine Ausschreibung – ungefähr in einem Jahr dürfte dann die Lehrperson für den neuen Lehrstuhl feststehen.