Sie wurden auf Bauernhöfen verdingt, in Heime eingewiesen, zwangssterilisiert. Als kleine Wiedergutmachung haben Menschen, die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen wurden, Anrecht auf einen Solidaritätsbeitrag von 25'000 Franken. Allerdings: Die Anmeldefrist dafür ist schon vor anderthalb Jahren abgelaufen. Doch möglicherweise bietet sich die Möglichkeit, diese Frist zu verlängern.
Überraschende Worte der Justizministerin
Sympathien für eine Fristverlängerung liess Anfang Woche Bundesrätin Karin Keller-Sutter durchblicken. Sie nahm direkt Bezug auf die Empfehlungen der unabhängigen Experten-Gruppe und auf zwei Vorstösse im Parlament, die den Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen mehr Zeit geben wollen, um Gesuche einzureichen.
«Der Respekt gegenüber den Opfern würde es gebieten, die Frist aufzuheben», sagt Karin Keller-Sutter. Darauf wiesen die zwei Vorstösse hin. Nun liege der Ball beim Parlament. Die Worte der Justizministerin sind umso bemerkenswerter, weil der Bundesrat offiziell die Vorstösse ablehnt.
Die Angst vor der Konfrontation
Bis zum Ablauf der Meldefrist hatten über 9000 Menschen ein Gesuch für einen Solidaritätsbeitrag gestellt. Fachleute gehen aber davon aus, dass noch mehr Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen leben, aber viele kein Gesuch gestellt haben, weil sie nicht noch einmal mit dem erlittenen Unrecht konfrontiert werden wollen und den bürokratischen Aufwand scheuen.
Diesen Menschen die Chance zu geben, doch noch einen Solidaritäsbeitrag zu erhalten, ist das Ziel der Motion von SP-Nationalrat Beat Jans, in der eine Fristverlängerung gefordert wird. Die neuen Signale der Bundesrätin freuen Jans: Er habe Hoffnung, dass eine Lösung gefunden werde, sagte er.
«Gute Chance im Parlament»
Sein Mitstreiter Kurt Fluri von der FDP ergänzt: «Ich denke, die Motion hat eine gute Chance im Parlament.» Denn es gehe um ein spezielles Thema, nämlich um Menschen, die ein schweres Schicksal erlitten hätten. Und da glaube er, dass Politiker aller Parteien bereit seien, die Anmeldefrist für den Solidaritätsbeitrag zu verlängern.