Das Ausfüllen einer Patientenverfügung konfrontiert uns mit möglichen, belastenden Lebenssituationen. Das ist zwar nicht angenehm, aber nur so können die persönliche Einstellung und Wertehaltung in Bezug auf das Lebensende, dauernde Krankheit oder Urteilsunfähigkeit verbindlich festgehalten werden. Besonders wichtig dabei ist, dass medizinische Fachpersonen erkennen können, welche Therapieziele einem Patienten besonders am Herzen liegen.
Neuer Standard angestrebt
Weil sich die im Internet erhältlichen Patientenverfügungen zum selber Ausfüllen in der Praxis mehrheitlich nicht bewähren, haben Experten auf Initiative des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) in mehrjähriger Arbeit einen neuen Beratungsprozess entwickelt. Gemäss dem neuen Konzept helfen speziell ausgebildete Beraterinnen und Berater beim Ausfüllen der neuen «Patientenverfügung Plus».
Kosten müssen selber bezahlt werden
Die Beratungskosten von bis zu 400 Franken müssen derzeit in der Schweiz – im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern – von den Kunden selber bezahlt werden. Für Mitglieder verrechnet die Stiftung SPO Patientenschutz eine Spezial-Pauschale von 300 Franken. Dabei sind die Schreibarbeiten und das korrekte Ausfüllen der Patientenverfügung inbegriffen.
Gemäss Tanja Krones, Professorin und Leiterin Klinische Ethik am Unispital Zürich, soll diese Art der begleitet ausgefüllten und deshalb für Ärzte und Angehörige besser verständlichen Patientenverfügung dereinst in der ganzen Schweiz Standard sein. Noch sei der Ausbildungsstand der Ärzteschaft aber sehr unterschiedlich. «Derzeit werden in der ganzen Schweiz Ärztinnen und Ärzte, aber auch Beraterinnen und Berater nach internationalem Vorbild ausgebildet», sagt Krones gegenüber dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».
Auch die Übernahme der Beratungskosten durch die Krankenkassen werde angestrebt. Nur so könne das neue Angebot langfristig niederschwellig angeboten und dem Wildwuchs der unpräzisen Patientenverfügungen aus dem Internet Einhalt geboten werden. Bis sich das neue System flächendeckend durchgesetzt habe, werde es aber noch ein paar Jahre dauern.
«Zu umfassend und zu teuer»
Zu Testzwecken lässt «Espresso» eine solche Patientenverfügung ausfüllen. Redaktor Tommy Dätwyler wird dabei begleitet von der Stiftung SPO Patientenschutz. Der Aufwand ist gross: Drei Sitzungen à jeweils fast eineinhalb Stunden sind nötig. «Die Auseinandersetzung mit diesen existenziellen Fragen war kein Spaziergang», zieht Dätwyler Bilanz. «Ich war gezwungen, mir Gedanken zu machen über Fragen, die ich eigentlich gerne vor mich herschiebe.»
«Espresso» zeigt die so entstandene Patientenverfügung dem Intensivmediziner Mathias Nebiker vom Berner Inselspital. Ihn überzeugt das umfassende Dokument nicht restlos: Das neue Ausfüll-Prozedere beurteilt er als «tendenziell zu aufwändig und zu teuer» und das 21-seitige Papier für den Spitalalltag auf einer Intensivstation als «zu kompliziert». Allerdings war es das erste Mal, dass der Intensivmediziner mit dieser neuen Art von Patientenverfügung in Berührung gekommen ist. Grundsätzlich seien Patientenverfügungen gut und sinnvoll, sagt Nebiker.